Ringen der Koalition - Haushaltsloch: Sind die Armen jetzt beseitigt?
Jetzt ist es raus: 17 Milliarden Euro fehlen laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Haushaltsplan für das kommende Jahr. Wo hin? Am Mittwochabend trafen sich die Spitzenpolitiker von Sozialdemokraten, Grünen und FDP im Kanzleramt, in der anderthalbstündigen Sitzung konnte keine Lösung gefunden werden.
Die Positionen beider Parteien haben sich verhärtet: Während Vertreter der Sozialdemokraten und der Grünen dafür plädieren, die Schuldenbremse im nächsten Jahr auszusetzen, um die Aufnahme von Krediten zu ermöglichen, lehnen die Liberalen dies entschieden ab. Für Ausnahmen von der Schuldenbremse muss die Union erneut über sogenannte Notfälle entscheiden, zu denen Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notfälle zählen. Die Liberaldemokratische Partei ist der Ansicht, dass diese Aussage unbegründet ist.
Für sie geht es darum, in anderen Bereichen Geld zu sparen. Lindner sagte, der Staat müsse „genauer“ mit dem Geld umgehen. Die Koalition aus Liberalen und Oppositionsparteien forderte, dass auch die Sozialausgaben überprüft werden sollten. Christian Dürer, Vorsitzender der FDP-Fraktion, sagte, es müsse auch darüber diskutiert werden, „wo der Sozialstaat zur Haushaltskonsolidierung beitragen kann“.
Scholz will „die Spielräume ausloten“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte am Dienstag in einer Regierungserklärung: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verändert Ihren Alltag in diesem Moment nicht, unabhängig davon, ob Sie Kindergeld oder BaföG, eine Rente oder Wohngeld beziehen.“ Allerdings sagte er auch, man prüfe nun „den verfügbaren Spielraum im Haushalt“, um Prioritäten zu setzen und „selbstverständlich“ die Ausgaben zu begrenzen.
Offensichtlich stehen die Sozialausgaben des Bundes mittlerweile im Fokus der öffentlichen Diskussion, machen sie doch mehr als ein Drittel des Haushalts aus. Die Ausgaben des Ministeriums für Arbeit und Soziales werden im nächsten Jahr voraussichtlich 170 Milliarden Euro übersteigen, wobei der größte Teil in die Renten und die Grundsicherung im Alter fließt. Das ist eine Menge Geld.
„Der Verfassungshaushalt 2024 wäre ohne Sozialsparen nicht möglich“, sagte Jochen Pimpertz vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. So könnte sich beispielsweise die Gründung der Generation-Kapital-Stiftung verzögern. Ähnlich wie die FDP sieht der Leiter der IW-Abteilung „Staat, Steuern und Sozialversicherung“ keinen Anlass, die Schuldenbremse erneut auszusetzen. Allerdings lassen sich die notwendigen Milliardenbeträge nicht bei einem einzelnen Projekt einsparen, es handele sich um eine „kritische Hinterfragung“ vieler Einzelprojekte.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass Sozialkürzungen kein Muss, sondern eine politische Entscheidung waren. Viele der jetzt kursierenden Vorschläge gab es schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse, es handelt sich jedoch eher um eine Grundsatzdiskussion über die Ausrichtung des Sozialstaates. Können sie das milliardenschwere Loch jetzt dringend stopfen? Schaut man sich die aktuelle Nachfrage genauer an, erkennt man, dass dies wahrscheinlich nicht der Fall sein wird. Das Ausgabengeflecht in diesem Bereich ist komplex, vieles lässt sich nicht einfach eliminieren und manches wird tiefgreifende Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Bei bestimmten Anforderungen kann es rechtlich schwierig werden. Ein Überblick über die sozialpolitischen Schlachtfelder aktueller Haushaltsdiskussionen:
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Anders als Ökonom Pinpetz, der glaubt, dass der Umfang der Sozialausgaben zumindest begrenzt sei, ist Ökonom Truger der Ansicht, dass eine Kürzung der Sozialausgaben nicht der richtige Weg sei, um künftige Investitionen zu finanzieren. Zu diesem Zweck waren Mittel aus dem inzwischen für verfassungswidrig erklärten Klima- und Transitionsfonds vorgesehen. Truger sagte, die Schuldenbremse müsse nun reformiert oder ein „Sonderklimafonds“ im Grundgesetz verankert werden – wie ihn die Bundesregierung mit EU-Unterstützung für die Bundeswehr eingerichtet habe.
Beim Thema Sparen oder Einkommenssteigerung empfiehlt Truger – ähnlich wie die Grünen – den Abbau klimaschädlicher Subventionen. Tatsächlich haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag die Abschaffung des Systems festgelegt. Auch eine „Klimasolidarität“ hält der Ökonom für denkbar, die in der Höhe des aktuellen Solidaritätszuschlags zur Finanzierung künftiger Investitionen liegen könnte.
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Quelle: www.stern.de