grüner Festungsschock
In vier Tagen wollen die Grünen ihren Kurs diskutieren, ihre Parteiführung bestätigen und ihre Pläne und Kandidaten für die Europawahl finalisieren. Dieser große Parteitag fällt mit der nächsten großen Ampelkrise zusammen. Die Partei muss geeint sein, aber die internen Zentrifugalkräfte nehmen zu.
Zwei Jahre sind auch außerhalb der Politik eine lange Zeit, doch für die Grünen scheint der Mini-Parteitag zum Jahresende im November 2021 lange her zu sein. Nach einem hart umkämpften Bundeswahlkampf wurden die Mindestziele des Regierungsengagements erreicht und der Landtag in Berlin-Westhafen war erfüllt von Stolz, Jubel und Optimismus. Lediglich die Beleidigung Anton Hofreiters trübte damals die Stimmung, und es war überraschend, dass er den Ministerposten nicht zugunsten von Cem Özdemir bekam. Ansonsten: nur das Leuchten einer Sonnenblume.
All das liegt noch in weiter Ferne, wenn am Donnerstag mehr als 800 Delegierte zum viertägigen Föderalistischen Parteitag, traditionell in der Parteiwahl genannt, nach Karlsruhe eintreffen. Seit ihrem Amtsantritt mussten die Grünen viele eigene Kompromisse, Misserfolge und Irrtümer hinnehmen. Eine unvollständige Liste:
- BundesfamilienministerinDer peinliche Abgang von Anne Spiegel
- Als ausgesprochenste Befürworterin von Waffenlieferungen andie Ukraine steht im Zeichen der Ampel und unterstützt eine deutliche Stärkung der Bundeswehr, unter anderem durch den Kauf von Kampfdrohnen strong> >Kohlekraftwerke
- Bau von Flüssiggas-Importhäfen in umweltsensiblen Gebieten li>
- Streitigkeiten über den Kohlebergbau und die OrtschaftLützerath>
- Streitigkeiten zwischen Waldbesetzern mit engen Verbindungen zu den Grünen in den Wäldern von Hambach und Damnenrode. Scheitern bei den Landtagswahlen im Saarland, in Bayern, Bremen und Hessen
- (Selbst-)Entlassung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Heizungsgesetz-Kontroverse
- Close Außenministerin Annalena Baerbock verschärft EU-Asylpolitik
- Lisa Paus‘ Grundsicherung stößt auf großen Widerstand
Kurzfristige Planänderungen
Viele Auch hart erkämpfte Klimaprojekte sind nun in Gefahr, da der Drei-Parteien-Koalition nach dem Schuldenbremsen-Urteil das Geld ausgeht. Es ist sogar vom Ende der Regierung die Rede. Wie tief die Haushaltskrise die Partei trifft, zeigt auch eine kurzfristige Änderung der Tagesordnung des Parteitags: Die Debatte über das Coronavirus wird am Abend auf wenige Stunden vor dem Parteitag am Donnerstagabend vorgezogen. Habeck wird unter anderem eine Rede halten und den Delegierten versichern, dass der Verlust von 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds nicht das Ende der Klimaziele der Bundesregierung bedeutet.
Die zweite und vielleicht hitzigere Debatte betrifft die Ereignisse des von Donnerstagabend auf Samstagabend verschobenen Neuordnungsprozesses: die Debatte über den Asylansatz der Bundesregierung in Deutschland und Europa. Auf einem kleinen Parteitag im Juni wurde in dieser Frage schließlich ein Kompromiss erzielt. Nun will die Grüne Jugend mit einem Antrag erreichen, dass ihre Partei eine Verschärfung des Asylrechts ablehnt. Es kursiert auch ein Hetzbrief, der den Bundesministern einfach das Recht abspricht, grüne Politik zu betreiben. Über tausend Unterschriften auf der Broschüre sind keine geringe Zahl, müssen aber mit der Zahl von über 125.000 Mitgliedern verglichen werden.
Spagat zwischen Karlsruhe und Berlin
Gleichzeitig hofft die Parteispitze, sich zur Wiederwahl zu bewerben, den Europawahlplan fertigzustellen und eine Kandidatenliste für die Europawahl aufzustellen Wahlen. Die Bundeskonferenz ist eine überparteiliche Konferenz. Bundesgeschäftsführerin Emily Büning zieht das viertägige Mammutprogramm einem zweiten separaten europäischen Parteitag vor. Das spart Geld, erfordert aber auch viel Kraft und Disziplin von allen Beteiligten, insbesondere von den Bundesministern, die derzeit in Berlin und auf der ganzen Welt gebraucht werden – allen voran Habeck –, der sich nacheinander mit Nahost-Besetzungen befassen muss. /p>
Aber die Bundesminister können es sich nicht länger leisten, in Karlsruhe fernzubleiben, wo vor 43 Jahren die Grünen ihre Gründungsversammlung im Rathaus abhielten. Die ehemaligen Parteistars Berbock und Habeck sind intern nicht mehr unumstritten. Man muss präsent sein und hinter den Kulissen arbeiten, um sicherzustellen, dass die Zentrifugalkraft nicht stärker wird.
Die Bundespräsidenten Omid Nouripour und Ricarda Lang haben sicherheitshalber im Vorfeld ihre Erwartungen an den Ausgang ihrer Wahl gesenkt. Inhaltlich wird es nichts Neues geben, wenn sie am Freitag für eine zweite Amtszeit kandidieren. Die Parteiführung ist unbeirrbar bestrebt, die Grünen als politische Kraft der Mitte zu positionieren, und kann seit Monaten keine entscheidenden Antworten darauf geben, wie sie ihr Image als elitäre Verbotspartei abschütteln kann.
Fakt ist: Die Partei polarisiert die öffentliche Meinung mehr denn je. Derzeit gibt es so wenige Menschen, die für die Grünen denkbar sind, dass die Partei die schwierige Entscheidung vermeiden könnte, ob sie Habeck oder Berbock im Rennen um den Ministerpräsidenten im Jahr 2025 aufstellt.
Berbock und Habeck verlassen den Parteivorstand
Apropos Erlösung: Die beiden Ministerinnen und Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Britta Hasselmann haben die Chance auf eine Wiederwahl als Mitglied aufgegeben des Parteikomitees, einer Art erweitertem Komitee. Dies bedeutet, dass jeder Bundespolitiker der Grünen mit öffentlichem Einfluss kein Parteiamt mehr innehat. Dies steht zwar im Einklang mit der von vielen Grünen favorisierten Ämter- und Aufgabentrennung, ist aber in diesem Ausmaß ungewöhnlich. Mit diesem Schritt hofft die Parteizentrale, das 16-köpfige Gremium für mehr Menschen auf unterschiedlichen Ebenen zu öffnen.
Wie diese faktische Abwertung innerhalb der Partei beurteilt wird, dürfte sich in Karlsruhe auswirken.Die Führung der Grünen trifft formell alle wichtigen Entscheidungen in einer informellen sechsköpfigen Gruppe, bestehend aus Berbock und Habeck, Lang und Nouripour sowie Droege und Haselmann. Zudem ist der einzige grüne Kanzler, der Baden-Württemberger Winfried Kretschmann, nicht regelmäßig anwesend. Tatsächlich haben sich auch zwei der wichtigsten Politiker der Grünen einer Bewertung ihrer Arbeit durch die Basis entzogen. Die Wiederwahl von Boonin, Long und Nouripour war der einzige Ausweg aus den persönlichen Wahlrückschlägen der Basis.
Kretschmann, ein Militärveteran und Moderator aus Karlsruhe, wird am Sonntag der Schlussredner sein. Dann maskiert er entweder den brodelnden Frust als Beweis einer lebendigen Debattenkultur oder beschwört die Neubildung von Bollwerken. Letzteres ist wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, wie häufig die Partei von außen angegriffen wird. Letztendlich wissen Befürworter einer konsequenteren Klimaschutzpolitik und einer liberaleren Einwanderungspolitik auch, dass es in Deutschland außer ihrer eigenen Partei keinen politisch relevanten Vertreter gibt, der ihre Bedenken äußert – vor allem, wenn es jemals einen gegeben hat. Das berühmte Ampel-Bündnis brach kurz danach zusammen Ereignis. Zwei wilde Jahre.
Quelle: www.ntv.de