Gewerkschaften sind über die Reform der Schuldenbremse uneinig
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder glaubt, dass sich Deutschland aufgrund von Haushaltsproblemen in einer „schweren nationalen Krise“ befinde. „Diese Regierung ist gestrandet“, sagte Söder auf einer CSU-Delegiertenkonferenz zur Europawahl in Nürnberg.
„Wir haben keinen Haushaltsnotstand, wir haben einen Regierungsnotstand“, sagte Söder. Er sprach sich dagegen aus, die Schuldenbremse zur Lösung von Haushaltsproblemen einzusetzen. „Die Schuldenbremse macht uns stärker und ist die einzige Möglichkeit, in Krisensituationen zu helfen“, schrieb Söder auf der Plattform X, früher bekannt als Twitter.
Wir lehnen eine Abschaffung der #Schuldenbremse ab. Solidität muss die Basis jeder Politik in #Deutschland und #Europa sein. Die Schuldenbremse hat uns erst stark gemacht, nur so sind Hilfen in Krisensituationen möglich. Und wir lehnen Steuererhöhungen wie bei der Gastro-Steuer…
— Markus Söder (@Markus_Soeder) November 25, 2023
Nach dem Karlsruher Haushaltsbeschluss entstand eine große Haushaltslücke. Das Bundesverfassungsgericht hat die Umverteilung von Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für ungültig erklärt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte am Donnerstag an, dass er dem Kabinett nächste Woche den Nachtragshaushalt 2023 vorlegen werde. Die Regierung will dem Bundestag die Ausrufung des Ausnahmezustands vorschlagen, der die Schuldenbremse aussetzen würde. Ziel ist die nachträgliche rechtliche Absicherung des in diesem Jahr in Anspruch genommenen Darlehens.
Allianzspaltung
Die Oppositionskoalition reichte die Klage in Karlsruhe ein. Sie jubelte zunächst, als das Urteil klar wurde, und machte ein klares Versprechen, die Schulden zu stoppen. „Ich glaube nicht, dass wir im Moment die Schuldenbremse anwenden müssen“, sagte CDU-Chef Merz am Dienstag.
Torsten Frey (CDU), der parlamentarische Geschäftsführer des Bündnisses, bezeichnete den Plan der Regierung, die Schuldenbremse auszusetzen, kürzlich als „mutigen juristischen Schritt“. „Ich finde es schwierig, wir haben zu Beginn des Jahres nicht über Notfälle gesprochen, aber vor einem Jahr hatten wir im Grunde die Grundlagen, die jetzt die Grundlagen von Notfällen sind“, sagte Frey am Freitag im Deutschlandfunk.
Andererseits zeigten sich CDU-Spitzen in Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen zuletzt offen für eine Reform der Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse ist im fiskalpolitischen Sinne eine gute Idee. Ich halte sie in ihrer jetzigen Ausgestaltung jedoch für gefährlich“, schrieb Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner am Donnerstag in X.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff sagte dem Stern, die Schuldenbremse müsse fortbestehen. „Aber für künftige sehr wichtige Investitionen in Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft müssen verfassungsrechtliche Wege gefunden werden, sie zu realisieren.“ Konservativer, aber gesprächsbereit gibt sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüster. Seiner Ansicht nach dürfte eine Reform nur die letzte aller Optionen sein, wie er am Freitagabend in der ARD deutlich machte.
Regierung lehnt Reform ab
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat die Diskussionen über eine Reform der Schuldenbremse zur Scheindebatte erklärt. „Es ist klar, dass es keine Mehrheit gibt, die bereit ist, die Verfassung zu ändern“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Das ist eine abstrakte Debatte, aber wir haben ein konkretes Problem.“
Um die Schuldenbremse zu reformieren, muss das Grundgesetz geändert werden. Hierzu ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat erforderlich. Am Freitag sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, es seien noch keine derartigen Änderungen geplant.
Scholz hofft, dass das Urteil schnellstmöglich vollstreckt wird
Bundeskanzler Olaf Schulz (SPD) kündigte erneut eine zügige Sanierung des Bundeshaushalts an. „Sobald das Gericht seine Entscheidung getroffen hat, bleibt nur noch die Frage der Umsetzung“, sagte Schulz am Samstag auf einer Parteiversammlung der Brandenburgischen Sozialdemokraten in Schönefeld bei Berlin. Das dürfte bald geschehen.
Am kommenden Dienstag will Scholz im Bundestag eine Regierungserklärung zur Haushaltslage abgeben. Im Anschluss ist eine Debatte geplant. Am Freitag soll der Bundestag erstmals über den Nachtragshaushalt beraten.
Quelle: www.dpa.com