Die Grünen sind gegen Habeck und seinesgleichen im Mercosur.
Die Bundesregierung unter Führung von Bundeswirtschaftsminister Habeck und Staatssekretär Brantner versucht seit Monaten, ein Handelsabkommen mit Lateinamerika zu erreichen. Doch die Basis wehrt sich. Auf einem Parteitag in Karlsruhe haben die Delegierten wesentliche Änderungen an den Europawahlplänen vorgenommen.
Nur wenige Länder haben in den letzten zwölf Jahren so viele Besuche von Vertretern der Bundesregierung erhalten wie Brasilien. Seit der Wahl von Präsident Lula ist das Land nicht nur im Konflikt mit Russland favorisiert, sondern auch ein zentraler Partner im Kernprojekt von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: dem Abschluss des Mercosur-Handelsabkommens mit den großen Volkswirtschaften Brasiliens und Argentinien als Hauptpartner - und zwar so lange wie möglich in diesem Jahr. Doch die eigene Basis der Partei äußerte Widerstand: Auf dem Föderalistischen Parteitag in Karlsruhe stimmten 53 % der Delegierten für Vorschläge zur Überarbeitung des Europawahlprogramms. Nun heißt es: „Wir lehnen das EU-Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab.“
Sollte der Wahlplan am Sonntag endgültig verabschiedet werden, sind die Bundesminister der Grünen nicht an den Plan gebunden, zumal EU-Deals nicht mehr der Zustimmung der Mitgliedstaaten bedürfen. Allerdings macht dies die Arbeit der Bundesregierung und das Verhältnis zwischen Parteibasis und Führung nicht einfacher. Letztlich sollten die Grünen-Abgeordneten den Plan nutzen, um bei der Europawahl im Frühjahr Wahlkampf zu machen und ein Dokument vorzulegen, das im Widerspruch zum Vorgehen ihrer eigenen Bundesminister steht.
Am Freitag wurden die Bundespräsidenten Ricarda Lang und Omid Nouripour mit rund 80 % der Stimmen sowie die Bundesministerinnen Habeck und Annalena Berbock (Annalena Baerbock) unter lautem Applaus wiedergewählt, das Mercosur-Votum markierte den ersten großen Dissens. Am Abend wird es voraussichtlich auch eine hitzige Debatte über die Asylpolitik der Grünen geben.
Erforderliche Sanktionsoptionen
Der überarbeitete Plantext fordert nun Neuverhandlungen, „um einen grundlegenden Wandel hin zu einem gerechten, ökologischen und postkolonialen Abkommen zu erreichen“. Insbesondere argumentieren die Autoren, dass Handelspräferenzen, die Partnerländern gewährt werden, als eine Form von Sanktionen ausgesetzt werden können, wenn diese soziale, ökologische und klimatische Verpflichtungen missachten. Darin spiegeln sich Bedenken der Befürworter wider, dass das Abkommen die Abholzung im Amazonas-Regenwald verstärken könnte, beispielsweise durch den Anbau von Sojaprodukten für den Export in die EU. Im Vorfeld der Karlsruher Messe forderten Aktivisten der Umweltgruppe Greenpeace, ein natürlicher Verbündeter vieler Parteimitglieder, die Grünen zu Veränderungen auf.
Vor der Abstimmung warnten Grünen-Fraktionschefin Katarina Dröger und Franziska Brandtner, Habecks zuständige Staatssekretärin, eindringlich vor einer Änderung des ursprünglichen Textes. Auch Außenministerin Annalena Berbock sagte zuvor am Tag, dass „ein wertebasiertes Handelsabkommen zwischen Partnern, zwischen Demokratien und Demokratien in Lateinamerika nicht nur eine Rolle spielt, sondern nicht nur ein Handelsabkommen ist.“ Europa müsse neue Allianzen schmieden im globalen Kampf gegen autoritäre Regime.
China statt EU?
„Wir streiten darüber nicht und sollten uns auch nicht dazu überreden lassen“, sagte Berbock, der Stunden später feststellte, dass es in dieser Frage tatsächlich tiefe Spaltungen innerhalb der Partei gab. Die Bundestagsabgeordneten Kathrin Henneberger und Karl Bär sprachen sich für die Änderung aus. Da die anschließenden Handabstimmungen so knapp ausfielen, mussten die Stimmen ausgezählt werden. Aus Brantners Sicht wird es in der Praxis schwierig sein, die Vorgaben des überarbeiteten Textes umzusetzen: Die Brasilianer lassen sich von den Europäern nicht vorschreiben, wie sie ihre Regenwälder schützen sollen, und Europa habe einfach keine Urwälder mehr, sagt der parlamentarische Staatssekretär.
Droege und Brandtner warnten außerdem davor, Lateinamerika ohne ein Handelsabkommen mit China zu verlassen, das ökologische und soziale Standards in den Wirtschaftsbeziehungen nicht berücksichtigt. Auch das Mercosur-Abkommen wurde nach der Wahl des Populisten Javier Milley zum argentinischen Präsidenten in Frage gestellt. Neben Argentinien und Brasilien sind auch Uruguay und Paraguay Mitglieder des Mercosur. Im Jahr 2019 wurde nach fast zwei Jahrzehnten der Verhandlungen eine grundlegende Einigung zur Förderung des gegenseitigen Marktzugangs und der Investitionen erzielt.
Die Grünen-Spitze kritisiert das Abkommen seit Jahren scharf, doch seit ihrem Beitritt zur Bundesregierung glaubt sie, dass sie wesentliche Änderungen im Umweltschutz und bei Sozialstandards aushandeln kann. Für 53 % der Parteitagsdelegierten reichte dies nicht aus.
Quelle: www.ntv.de