Gastgewerbe - Deutschlands Hotels – Krise ohne Ende?
Michael Heinzler ist normalerweise ein sehr optimistischer Mensch. Doch der Hotelbesitzer aus Immenstadt am Bodensee blickt mit Sorge auf das kommende Jahr. Der 51-Jährige wird seine Hotelpreise um 16 bis 18 Prozent erhöhen. Inflation, gestiegene Betriebskosten und die Rückkehr der Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 7 % auf 19 % werden die Preise in die Höhe treiben.
Wie die Gäste auf die Preiserhöhung zum 1. Januar reagierten, konnte er nicht sagen. „Das hat es noch nie gegeben“, sagte Heinzler. Er wollte in seinem Haus mit 34 Zimmern und Suiten am Seeufer etwas für jedes große und kleine Budget finden.
„Herausfordernde Zeiten“
Vielen Deutschen geht es genauso wie Hotelbesitzern am Bodensee. „Es sind herausfordernde Zeiten“, sagte Tobias Warnecke, Geschäftsführer des Deutschen Hotelverbandes. Während der Epidemie stürzte die Branche in einen Abgrund. Langsam ging es aufwärts, doch dann brach der Krieg in der Ukraine aus. „Wir sind von einer Krise zur nächsten gegangen.“
Nach starken Rückgängen in den Jahren 2020 und 2021 liegen die Umsätze der Branche immer noch hinter dem Vorkrisenniveau zurück. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren die preisbereinigten Preise in Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um 6,7 % niedriger als vor der Krise. In diesem Jahr hat die Zahl der Übernachtungsgäste wieder das Vor-COVID-Niveau erreicht. Im Mai und September war die Profitabilität der Branche sogar höher als im Jahr 2019. Warnecke sagte, die Rentabilität in der Hotelbranche sei relativ gering. „Es bleibt nie wirklich viel übrig.“
Stephanie Zarges-Vogel vom Hotelberatungsunternehmen Zarges von Freyberg sagt, Rentabilität sei durchaus möglich. Aber man muss sich daran gewöhnen, dass die Umsätze zwar steigen, die Ergebnisse aber nicht unbedingt viel besser sind. Die Gewinnmargen sanken erheblich, da die Kosten deutlich stiegen.
„Planung war noch nie so schwierig“
Die Gastgewerbebranche sei von Unsicherheit und Planungsschwierigkeiten geprägt, sagte Zarges-Vogel. „Ich glaube, Planung war noch nie so schwierig.“ Wenn ein Hotel keine klare Philosophie und keine starke Positionierung hat, wird es eine schwierige Zeit. Auch für Mittelklassehotels wird die Situation schwierig. „Billige und sehr teure Jobs, aber die Mitte ist schwer darzustellen“, sagte Zags-Vogel.
Laut dem Geschäftsführer des Hotelverbandes sei das Preis-/Leistungsverhältnis in Deutschland schon immer sehr gut gewesen. Da die Deutschen sehr preissensibel sind, kann es schwierig sein, den richtigen Preis zu erzielen. Er sieht derzeit keinen Spielraum für sinkende Preise.
„Ein bestimmtes Leistungsniveau hat seinen Preis“, sagt Beraterin Zarges-Vogel. Gäste müssten besser daran erinnert werden, dass sie nicht „auf den Schrottmarkt gehen“ können, wenn sie ein bestimmtes Leistungsniveau erwarten. „Bei Konsumgütern ist das völlig normal, und beim Reisen müssen wir uns meiner Meinung nach daran gewöhnen.“
Preissensible Kunden
Der Berater sagte, dass die Ansprüche der Gäste steigen und sie mit steigenden Preisen reagieren. Daher ist die Persönlichkeit sehr wichtig. Den Anfang machen kleine Gerichte vom Frühstücksbuffet, etwa mit regionalen Produkten. Und wenn es um Hoteldesign oder -einrichtung geht, berücksichtigen Sie Dinge, die Gäste nirgendwo finden. Oder im Hinblick auf den Service, zum Beispiel eine persönliche Atmosphäre. „Damit kann man ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen, das eine Hotelkette nie hätte.“
Hotelier Heinzler profitiert von seiner Lage im Tourismus- und Erholungsgebiet Bodensee. Warnecke, Geschäftsführer des Verbandes, sagte, die Stadt- und Geschäftshotellerie sei stärker von der neuen Corona-Epidemie betroffen als die Ferienhotellerie. Die Reisenachfrage wächst noch schneller.
Einen Nachfolger zu finden ist schwierig
Ein weiteres Problem: Laut Warnecke sind viele Hotelbesitzer nicht mehr die Jüngsten und finden keine Nachfolger. Hotelketten haben die entstandene Lücke geschlossen. Wenn ein Ort hinzukommt, verdrängt er die Privathotellerie. Hotelier Heinzler hingegen möchte, dass sein Familienbetrieb von seinen eigenen Kindern in der vierten Generation übernommen wird.
Was die Suche nach einem Nachfolger erschwert: Laut Warnecke müssen Hoteliers mit viel lästiger Bürokratie rechnen. Große Hotelunternehmen haben Strukturen oder ganze Abteilungen, die alles regeln. Kleine Privathotels hingegen können schneller und besser auf neue Marktbedingungen reagieren.
Währenddessen blickte Heinzler auf den grauen Bodensee. Seine Stimmung war nicht so düster. Doch er und viele seiner Kollegen sind unruhig. Dieser Ort gab ihm Hoffnung. „Der Bodensee hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt“, sagte er mit Blick auf die Übernachtungszahlen. Wenn dieses Niveau trotz steigender Preise gehalten werden kann, wird er zufrieden sein.
Eine Prognose des Hotelverbandes könnte ihm Hoffnung machen: Er rechnet damit, im nächsten Jahr die Gästezahlen und Umsätze von 2023 zu erreichen.
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Quelle: www.stern.de