Brinkhaus: „Die Panik etwas rausnehmen“
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine riesige Lücke im Bundeshaushalt. In der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ diskutieren Gäste, wie man Haushaltslöcher stopft.
Darauf haben Bürger, Politik und Wirtschaft schon lange gewartet. Wenn der Bundestag am Dienstag tagt, steht nur ein Punkt auf der Tagesordnung: die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstandene Haushaltslücke. Bundeskanzler Olaf Scholz wird zunächst eine Regierungserklärung abgeben, dann wird es eine Debatte geben. In der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ hatten die Gäste einige Erwartungen an diese Diskussion. So wird beispielsweise die Schuldenbremse in diesem Jahr ausgesetzt.
„Ich weiß, das wirft Fragen auf“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle, „denn die Schuldenbremse ist ein wichtiger Teil unserer Finanzverfassung.“ Daran müsse sich die Politik jedes Jahr aufs Neue messen lassen. Die Schuldenbremse soll nun für das gesamte laufende Geschäftsjahr, das in wenigen Wochen endet, ausgesetzt werden. „Wenn Sie nicht glauben, dass wir im Jahr 2023 einen Notfall haben, sollten Sie an den Anfang dieses Jahres zurückgehen und die Krankenhäuser oder die vielen Bürger, die sich große Sorgen machen, fragen, ob sie den Winter sicher überstehen können“, sagte Culler. Auch SPD-Politiker Ralf Stegner plädiert für eine Aussetzung der Schuldenbremse, die auf „normale Zeiten“ abzielt. Doch Deutschland muss diverse Krisen überwinden. Stegner betonte, dass niemand sagen würde, dass dies normale Zeiten seien.
Allerdings ist es fraglich, ob der Nachtragshaushalt tatsächlich vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat. Da ist sich Süddeutsche Zeitung-Reporter Henrik Rosbach nicht so sicher. Allerdings sagte sie auch, dass sich der Karlsruher Richter nur dann mit der Sache befassen werde, wenn dagegen Klage eingereicht werde. Der frühere Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus hat eine gute Nachricht: „Wir werden uns nicht beschweren.“ Allerdings plädieren Brinkhaus und Culler dafür, dass die Schuldenbremse im nächsten Jahr wieder in Kraft treten soll.
Keine Preisobergrenzen für Strom und Gas mehr
Vor wenigen Tagen kündigte Finanzminister Lindner an, dass die Preisbremse für Strom und Erdgas zum 1. Januar, also im Winter, wenn die Wärmemengen hoch sind, ausläuft. Ursprünglich sollte die Sache erst Anfang März erledigt sein, als die kalten Tage fast vorbei waren. Doch Konstantin Kuhle begründete die vom Bundesverfassungsgericht für ungültig erklärten Aussetzung der aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu finanzierenden Maßnahme auf seine Weise: „Weil sich die Preise auf den Energiemärkten stabilisiert haben.“ Doch das könnte sich wieder ändern. Deshalb versprach Kühler: „Wenn sich nächstes Jahr eine andere Situation ergibt, dann müssen wir natürlich wieder handeln.“ Für FDP-Politiker ist das schon jetzt wichtig: Man kann sich nicht mehr alles leisten, man muss Prioritäten setzen.
Für Wolfgang Weber vom Zentralverband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) ist klar: Die von ihm vertretenen Unternehmen investieren jetzt in die Zukunft, sagt er. „Die Frage ist: Wie reagiert das Land auf den Übergang? Die Branche war vorbereitet, erwartete aber eigentlich, dass sie jetzt ihre Wirtschaftsversprechen einlöst.“ Daher ist die Wirtschaft weiterhin auf die Unterstützung der Bundesregierung angewiesen.
Dies gilt auch für Unternehmen, die derzeit versuchen, sich in Ostdeutschland niederzulassen. Chiphersteller Infineon will in Dresden eine Fabrik bauen, dafür stellt der Bund 1 Milliarde Euro Fördermittel bereit. WSMC, der weltgrößte Chiphersteller, bereitet sich sogar auf 5 Milliarden Euro Subventionen vor, um auch in Dresden eine Fabrik eröffnen zu können. Die Regierung will sogar 10 Milliarden US-Dollar für den Bau einer Fabrik in Magdeburg aufbringen, damit der Weltriese Intel eine Fabrik bauen kann. Doch kann die Bundesregierung diese Versprechen noch halten? „Das kann ich heute nicht garantieren“, sagte Culler bei „Hart aber fair“.
Diskussion über Bürgergeld
Alle Diskussionsteilnehmer sagten, dass die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung wichtig sei, weil sie Arbeitsplätze schaffe und eine Investition in die Zukunft sei. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Einsparungen in anderen Bereichen vorgenommen werden. So will Brinkhaus etwa beim Staatsbürgerschaftsstipendium kürzen, damit es zu einer stärkeren Differenzierung der Arbeitnehmer kommt. Dies kann die SPD jedoch nicht leisten. Ralf Stegner glaubt, dass sich die Schere zwischen Bürgergeld und Mindestlohn auch durch eine Erhöhung der Gesamtlöhne vergrößern lässt.
Kühler hat andere Ideen: Er will Subventionen einsparen und schlägt eine europaweite Steuer auf Kerosin vor. Er möchte auch über die Anhebung des Rentenalters diskutieren und fragt sich, ob ukrainische Flüchtlinge bei ihrer Einreise automatisch Staatsbürgerschaftsvorteile erhalten sollten. Was auch immer die Sparmöglichkeiten sein mögen, Brinkhaus ist optimistisch: „Ein guter Finanzminister und eine gute Opposition schaffen das.“ Im nächsten Jahr werde es Konsolidierungsmaßnahmen und einen Verfassungshaushalt geben. „Es ist nicht so, dass der Meteorit eingeschlagen hat, es ist nur so, dass wir auf einige Herausforderungen gestoßen sind.“ Nach einer Weile appellierte er: „Wir sollten weniger in Panik geraten.“
Quelle: www.ntv.de