Am Scheideweg: Argentinien wählt neues Staatsoberhaupt
Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise wählten die Argentinier einen neuen Präsidenten. Wirtschaftsminister Sergio Massa von den regierenden Peronisten wird in der heutigen Stichwahl gegen den liberalen Populisten Javier Milais antreten. In jüngsten Umfragen liegen die beiden nahezu gleichauf. Etwa 35 Millionen Menschen werden zur Stimmabgabe aufgerufen. Es besteht Wahlpflicht.
Mire, ein selbsternannter „Anarchokapitalist“, verspricht einen radikalen Wandel: Er will den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einführen, Zentralbanken und viele Ministerien abschaffen und die Sozialausgaben kürzen.
„Niemand mit so extremen Ansichten zu Wirtschaftsfragen wurde jemals zum Präsidenten eines südamerikanischen Landes gewählt“, sagte Mark Weisbrot, Ökonom am Center for Economic and Policy Research, einer amerikanischen Forschungsorganisation. „Sie erkennt kaum oder gar keine legitime Rolle der Regierung in einigen der wichtigsten Politikbereiche an, von denen die meisten Menschen glauben, dass sie für eine demokratische, menschliche und stabile Gesellschaft notwendig sind.“
Leben im anhaltenden Krisenmodus
Die radikale Lösung des Millais-Plans findet vor allem bei jungen Menschen großen Anklang. Viele kennen das Leben nur im anhaltenden Krisenmodus, desillusioniert vom politischen System und letztlich in der Hoffnung auf einen Neuanfang.
Regierungskandidat Massa dürfte hingegen die derzeitige Politik mit groß angelegten Eingriffen in die Wirtschaft und umfangreichen Sozialprogrammen fortsetzen. In letzter Zeit hat er in die Staatskasse gegriffen, um den Wählern zu gefallen. Er ordnete eine massive Rekrutierungsoffensive im öffentlichen Sektor an, genehmigte eine Erhöhung der Einkommensteuerfreibeträge und gewährte Einmalzahlungen an Angestellte und Rentner.
Tiefe Wirtschaftskrise
Medienberichten zufolge hat Massa in den letzten Monaten umgerechnet Milliarden Euro in die Wirtschaft gepumpt, was etwa 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Moderate Peronisten schüren zuletzt Befürchtungen, dass die Gesellschaft abgeschnitten würde, wenn sein Rivale Milley die Wahl gewinnt.
Südamerikas zweitgrößte Volkswirtschaft steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflation liegt bei über 140 %, und etwa 40 % der Menschen in diesem einst wohlhabenden Land leben unterhalb der Armutsgrenze.
Argentiniens staatliche Institutionen sind aufgebläht, die industrielle Produktivität ist gering und die Schattenwirtschaft ist riesig, wodurch dem Land große Mengen an Steuereinnahmen entzogen werden. Die lokale Währung, der Peso, verliert gegenüber dem US-Dollar weiter an Wert und die Verschuldung wächst weiter.
Quelle: www.dpa.com