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Wissen statt Scham - Madita Oeming erforscht Pornos

Madita Oeming
Die Pornowissenschaftlerin Madita Oeming plädiert für "Wissen statt Scham".

Ihre Mission trägt Madita Oeming an diesem Tag auf ihrem T-Shirt: «Wissen statt Scham» steht in weißen Großbuchstaben auf schwarzem Stoff. Die 37 Jahre alte Kulturwissenschaftlerin aus Göttingen möchte Menschen dazu bringen, offen über Pornos und Lust zu sprechen, statt Sex-Filme nur heimlich, verschämt oder gar mit Schuldgefühlen zu schauen. «Pornos sind Teil der Alltagskultur», betont Oeming.

Erst waren Pornos nur für über 18-Jährige in der Videothek zu haben, dann kam das Internet. Auf dem Smartphone, Tablet und PC sind sie heute jederzeit und überall verfügbar. «Wenn wir von Anfang an lernen würden, darüber eine Gesprächskultur zu entwickeln, dann wäre das hilfreich», sagt Oeming. Laut einer repräsentativen Umfrage haben 96 Prozent der Männer und 79 Prozent der Frauen schon einmal Pornos geguckt.

Shitstorm mit massiven Drohungen

Seit 2014 beschäftigt sich die gebürtige Bonnerin, die in Berlin aufgewachsen ist, wissenschaftlich mit Pornos. Nach dem Studium von VWL, Kulturwissenschaften und Amerikanistik in Göttingen übernahm sie an der Universität Paderborn eine Promotionsstelle. Lehraufträge hatte sie auch an anderen Hochschulen wie der Uni Münster. Die Analyse von Pornos sei ein Thema für die Kulturwissenschaften, weil Pornos Teil unserer Kultur seien, sagt Moritz Baßler, Germanistikprofessor an der Uni Münster.

Schon nach Ankündigung eines Seminars für die FU Berlin 2019 erlebte Oeming einen Shitstorm mit sexistischen Anfeindungen und massiven Drohungen. «Konservative und rechte Gruppen sind anti-Porno, sexfeindlich, lustfeindlich und frauenfeindlich», beobachtet sie.

Sie passt nicht ins Uni-System

Zwar keine Hassnachrichten, aber Sticheleien und übergriffige Bemerkungen erlebte die junge Dozentin auch in der akademischen Welt. «Wenn man die Porno-Tante an der Uni ist, stößt man permanent auf Gegenwehr. Ein Kollege meinte mal, ich sollte doch mein Privatleben zu Hause lassen.»

Auch weil sie merkte, dass sie in das System Universität nicht passte, machte sich Oeming im Mai 2022 selbstständig. «Natürlich gibt es beim Finanzamt nicht das Kästchen Porno-Wissenschaftlerin, aber ich finde, dieses Wort funktioniert einfach gut: Jeder weiß, was gemeint ist und man hat einen schönen Irritationsmoment.»

Als unabhängige Porno-Wissenschaftlerin hält Oeming Vorträge und Seminare. Anknüpfungspunkte gibt es ihr zufolge auf vielen Forschungsfeldern wie Filmwissenschaften, Genderforschung, Sexualpädagogik oder Medienpsychologie.

Derzeit ist sie mit ihrem im August erschienenen Sachbuch «Porno. Eine unverschämte Analyse» auf Lesereise unterwegs. Ihr Verlag Rowohlt bezeichnet die Autorin als sex-positive Feministin und Lustaktivistin, die sich als Brückenbauerin zwischen Academia, Pornoindustrie und breiter Öffentlichkeit versteht.

«Ich fühle mich wie die Porno-Päpstin»

Bei einigen Veranstaltungen, etwa im Literarischen Salon in Hannover (6.11.), stellt sich Oeming gemeinsam mit der Pornoproduzentin Paulita Pappel dem Gespräch. In Pappels Buch «Pornopositiv» geht es nach Angaben ihres Verlags Ullstein um Pornografie als «Werkzeug der Emanzipation».

Radikalfeministinnen sahen das lange ganz anders: Alice Schwarzer startete 1987 die PorNO-Kampagne und stritt für ein Porno-Verbot. Nach Oemings Analyse bestimmt die Rhetorik dieser Bewegung noch immer das «öffentliche Bild von Pornos als Erniedrigung von und Gewalt gegen Frauen». «Wir müssen aufhören, Porno zu sagen, wenn wir Gewalt meinen», betont sie. Pornografie sollte an Einvernehmlichkeit gemessen werden.

Weil die Filme überall verfügbar sind, kommen auch Jugendliche immer früher damit in Kontakt. «Im Moment rutschen Pornos in die Rolle der Aufklärung, aber dazu sind sie nicht gemacht», sagt Oeming. «Es sind Übertreibungen, Inszenierungen. Pornos sind Action-Filme, keine Dokumentationen.» Dem sollte aber nicht mit Verboten begegnet werden. Oeming bietet als Kurs den «Porno-Führerschein» an, der nach ihren Worten darauf abzielt, Pornokompetenz zu vermitteln.

Nach Veranstaltungen oder Auftritten vertrauen viele Menschen der Wissenschaftlerin ihre persönlichen Porno-Erfahrungen an. Mal ist es ein Taxifahrer, mal ein Tontechniker oder ein Professor auf einem Medizinkongress. «Das hat oft einen Beichtcharakter», erzählt Oeming. «Ich fühle mich wie die Porno-Päpstin, die dann sagt, das ist in Ordnung und die Absolution erteilt. Diese Rolle möchte ich eigentlich nicht haben.»

Dann schon lieber die Rolle der Aufklärerin, die in ihrem Sachbuch auch Persönliches einfließen lässt und einen goldenen Ring mit dem Schriftzug «Milf» trägt. Dies steht für «Mother I’d like to fuck» (deutsch: «Mutter, mit der ich gern Sex hätte»). Milf ist laut Oeming ein Porno-Begriff geworden. Für ihr Buch recherchierte sie, dass bei den beliebten Suchworten die Milfs den Teens den Rang abgelaufen haben. «Ich verbinde damit weniger eine heiße Mutter, sondern eine erfahrene, sexuell selbstsichere Frau», sagt Oeming. «Und damit kann ich mich durchaus identifizieren.»

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