Kleinanzeigen-CEO - Warum nachhaltiger Konsum so schwierig ist
Fast jeder hat das gesagt: Die Menschen streben tatsächlich danach, nachhaltiger zu leben. Aber dann hieße es: Flugzeug statt Bahn fahren, Schnitzel essen statt Gemüse anbraten, Discountmarke statt Bio-Produkt. Für dieses Phänomen gibt es einen Fachbegriff: die Einstellungs-Verhaltens-Lücke. Es beschreibt den Unterschied zwischen der Einstellung der Verbraucher zu einem Thema und ihrem tatsächlichen Verhalten.
Besonders ausgeprägt ist dieser Unterschied in Deutschland. Das zeigt die Kreislaufwirtschaftsstudie Rubrikenwerbung. Forscher des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie haben errechnet, dass selbst zwei Drittel (65 %) der Menschen mit einer positiven Umwelteinstellung nur gelegentlich, selten oder nie umweltbewusst handeln. Der Grund dafür ist, dass es ihnen oft schwerfällt, auch im Alltag nachhaltige Empfehlungen und Alternativen zu befolgen.
Die Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte der Befragten (52 %) Schwierigkeiten haben einzuschätzen, ob Nachhaltigkeitsinformationen vertrauenswürdig sind. Fast genauso vielen Menschen (45 %) fällt es schwer herauszufinden, ob ein Produkt nachhaltig produziert wurde. Beides ist jedoch besonders wichtig für diejenigen, die beim Konsum auf Nachhaltigkeit setzen wollen.
Diese Unsicherheit ist kein Zufall. Wer nachhaltiger konsumieren möchte, steht vor vielen Hürden. Das erste zeigt bereits die Preisliste. Nachhaltige Produkte kosten im Durchschnitt 75 bis 85 Prozent mehr als herkömmliche Produkte. Das ist die Berechnung der Unternehmensberatung Kearney. In Zeiten von Inflation und steigenden Preisen sind Verbraucher weniger bereit, mehr für nachhaltige Produkte auszugeben. Laut Monitor Deloitte ist ihr Anteil im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 um mehr als die Hälfte gesunken. Geld ist ein Faktor.
Zeit ist ein Faktor
Vor der nächsten Hürde stehen Verbraucher, wenn sie feststellen wollen, welche Produkte nachhaltig sind und welche nicht. Ein neues Gesetz hier, ein neues Umweltzeichen da. Da fällt es selbst Experten schwer, Schritt zu halten. Vor allem im Einzelhandel. Mit dem EU-Energielabel für Geräte, dem Bio-Siegel für Lebensmittel, dem EU-Umweltzeichen und dem Blauen Engel für verschiedene Produkte des täglichen Bedarfs sowie dem Grünen Knopf für Kleidung empfiehlt das Umweltbundesamt für diese Branche lediglich fünf Labels. Der Umgang mit all diesen Tags nimmt viel Zeit in Anspruch. Zeit ist auch ein Faktor.
Auch der Gesetzgeber war stark beteiligt. Abgeordnete des Europäischen Parlaments und der EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf neue Produktspezifikationen geeinigt. Unter anderem wollen sie die Verwendung dieser Umweltzeichen auf Produkten verbieten, die nur der Werbung dienen. Ziel ist es, das sogenannte „Greenwashing“ zu erschweren, bei dem sich Unternehmen ein grünes Image geben, auch wenn ihre Produkte nicht den anerkannten Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen. Anforderungen, die sich in Gesetzen wie dem Kreislaufwirtschaftsgesetz finden. Das Gesetz wurde 2012 verabschiedet, neue Regelungen treten jedoch 2024 in Kraft. Das heißt: wieder auf Innovation setzen, wieder informieren, noch einmal lesen. Die Bereitschaft, sich mit veränderten Bedingungen auseinanderzusetzen, ist ein Faktor.
Der Wille ist schon da – was fehlt, ist die Richtung
Hohe Preise, viele unterschiedliche Labels und sich ständig ändernde Gesetze: All das macht es schwierig, nachhaltig zu leben. Sogar diejenigen mit einer positiven Einstellung zur Umwelt. Wer den Handel nachhaltiger gestalten will, muss eigentlich das Gegenteil tun – nachhaltigen Konsum vereinfachen. Dafür braucht es Anreize und klare Regeln, keine neuen Gesetze und Siegel. Finanzielle Anreize wie die Förderung nachhaltiger Produkte führen zu Preisnachlässen. Oder schaffen Sie stärkere Anreize zum Kauf gebrauchter Artikel, denn die Nutzung bereits vorhandener Artikel ist von Natur aus nachhaltig. Regeln und Gesetze sollten den Verbrauchern Orientierung geben und sie nicht verwirren. Beispielsweise ist ein einheitliches Umweltzeichen für verschiedene Produktgruppen leichter zu durchdringen als fünf verschiedene Umweltzeichen.
Letztlich darf es nicht an den Wünschen der Verbraucher scheitern. Auch ein Blick in die Kreislaufwirtschaftsforschung zeigt, dass diese Zahl recht groß ist. Fast zwei Drittel der Befragten (60 %) gaben an, dass ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist. Für 44 % ist dies in den letzten zwei Jahren sogar noch wichtiger geworden. Darüber hinaus führen extreme Wetterbedingungen (41 %) und die Präsenz des Themas in den Medien (29 %) dazu, dass Menschen ihr Verhalten ändern, um die Umwelt zu schützen. Viele glauben aber auch, dass Politik (67 %) und Wirtschaft (74 %) in der Verantwortung stehen, mehr zu tun. Der erste Schritt sollte darin bestehen, endlich klare Regeln sicherzustellen.
Hauptstadt".
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Quelle: www.stern.de