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Wagner-Chef Prigoschin mit Flugzeug abgestürzt

Jewgeni Prigoschin
Die Behörden bestätigten sehr schnell, Prigoschin habe auf der Passagierliste der abgestürzten Maschine gestanden.

Als Chef der gefürchtetsten Privatarmee der Welt war sich der russische Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin der Todesgefahr stets bewusst. Ob bei seinen Einsätzen bis zuletzt in Afrika, davor im Krieg in der Ukraine oder auch vor exakt zwei Monaten, als er am 23. Juni den Aufstand gegen Moskaus Militärführung anzettelte und damit scheiterte – dem 62-Jährigen war klar, dass sein Leben schnell zu Ende sein kann. Zwar beteuerte er nach der gescheiterten Revolte, dass er keinen Machtwechsel geplant habe. Aber Kremlchef Wladimir Putin ist bekannt dafür, Verrat, noch dazu von Freunden, eiskalt zu bestrafen.

Nach Angaben des Wagner nahestehenden Telegram-Kanals Grey Zone starb Prigoschin am Mittwoch bei einem Flugzeugabsturz in Russland. Auch der kremlnahe Fernsehsender Zargrad TV berichtete unter Berufung auf eigene Quellen, die Leiche Prigoschins sei vorläufig identifiziert, es stünden aber DNA-Analysen aus. Von offizieller Seite gab es weiter keine Bestätigung des Todes.

Kurz zuvor per Video aus Afrika gemeldet

Zehn Menschen sollen am Mittwoch beim Absturz einer Passagiermaschine Prigoschins im Gebiet Twer getötet worden sein – so viele, wie die russischen Piloten, die durch seine Wagner-Kämpfer bei dem Aufstand getötet worden waren, wie Beobachter rasch kommentierten. Was genau passiert ist an Bord der Maschine, war zunächst unklar.

Aber die Behörden bestätigten sehr schnell, Prigoschin, der sich kurz zuvor erstmals per Video aus Afrika gemeldet hatte, habe auf der Passagierliste der Maschine gestanden. Berichten zufolge war er gerade aus Afrika zurückgekehrt. Der Wagner-Chef wollte auf dem afrikanischen Kontinent bei Konflikten in den einzelnen Staaten weiter Russlands und seine eigenen Interessen vertreten. Ein Teil seiner Truppe, die in Russland in Ungnade gefallen ist, wurde nach Belarus verlagert.

Zu hören war von Prigoschin seit der Revolte nur noch wenig. In Russland gab es die letzten viel beachteten Fotos, als er am Rande von Putins Afrika-Gipfel im Juli in St. Petersburg Gespräche führte.

Über Monate hinweg hatte er sich vor dem Aufstand wegen des chaotischen Kriegsverlaufs in der Ukraine mit der Militärführung in Moskau angelegt. Immer wieder warf er dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab der Armee vor, Präsident Putin zu belügen. Mit dem bewaffneten Aufstand seiner mit Panzern und anderen schweren Waffen voll ausgestatten Armee forderte er aber letztlich auch Putin heraus.

Kritik als Ventil in Zeiten des Kriegs

Zwar bestätigte der Kreml, dass sich Prigoschin und Putin nach dem Beinahe-Putsch noch einmal im Kreml trafen. Aber Beobachter erinnerten daran, dass Putin öffentliche Bloßstellung wie durch Prigoschin niemals vergibt. Wie der Kremlchef kommt Prigoschin aus St. Petersburg. Über das Privatleben des Familienvaters ist wenig bekannt. Aber immer wieder inszenierte er sich selbst als Beschützer mit sozialer Ader. So unterhielt er Rehazentren für Kriegsversehrte.

Seine Popularitätswerte schnellten zu Zeiten der Wagner-Kämpfe in der Ukraine in die Höhe – auch, weil er mit seinem Kanal beim Nachrichtendienst Telegram Hunderttausende erreichte. Viele hielten die Aussagen, die an die russische Opposition erinnerten, für ehrlich – ein Ventil in Zeiten des Kriegs. Das schürte auch Spekulationen um politische Ambitionen des Wagner-Chefs. Er wies solche Absichten stets zurück.

Prigoschin genoss vielmehr den Ruf, mit seinem Firmenimperium Concord und anderen geschäftlichen Aktivitäten auf maximalen Gewinn aus zu sein. Dass er dabei extrem machtbewusst vorging, war auch dem Kreml klar. Seinen Einfluss nutzte er besonders, um Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow unter Druck zu setzen, den Einsatz im Krieg zu erhöhen. Er warf ihnen vor, die Truppen nicht ordentlich zu führen.

Als nun die Nachricht vom Absturz des Flugzeugs kam, meinten Kommentatoren in Moskau, es könne sich um Rache der beiden Militärs gehandelt haben. Auch mehrere Generäle, die auf Linie waren mit Prigoschin, wurden zuletzt abgesetzt oder sind von der Bildfläche verschwunden – ohne Erklärung.

Unternehmer mit krimineller Vergangenheit

Niemand sonst in Russland traute sich solche Kritik wie Prigoschin, für die einfache Bürger zu hohen Haftstrafen verurteilt werden. Es gehe ihm darum, dass die Armee mit Würde und Stolz ihre Aufgaben erfüllen könne – und nicht in einem System von «Speichelleckerei, Kriecherei und Verantwortungslosigkeit», sagte er einmal. Der Söldnerchef kritisierte zudem, dass die Staatsmedien die Erfolge Wagners schmälerten oder sogar verschwiegen. Das Wort Wagner werde in den Medien «sorgfältig ausradiert» – wie Genitalien in einem Film übers Saunieren, sagte er.

Bekannt war Prigoschin aber auch als skrupelloser Unternehmer mit krimineller Vergangenheit. Er und Putin kannten sich lange. Als der heutige Präsident noch in der St. Petersburger Stadtverwaltung arbeitete, soll er in Prigoschins Restaurant eingekehrt sein. Deshalb ist der Russe, der mehrer Jahre wegen Raubs in Haft saß, auch als «Putins Koch» bekannt.

Der Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf soll sich mit seiner auf Desinformation spezialisierten Internet-Trollfabrik 2020 auch in die US-Präsidentenwahl eingemischt haben. Deshalb haben ihn die Vereinigten Staaten zur internationalen Fahndung ausgeschrieben. Die Wagner-Truppen gelten im Westen als «Terrororganisation», verantwortlich für Kriegsverbrechen in vielen Ländern.

Im September, nach einem halben Jahr Krieg in der Ukraine, räumte Prigoschin erstmals ein, die Söldnertruppe schon 2014 für den Einsatz auf russischer Seite im ukrainischen Donbass gebildet zu haben. Zuvor hatte Prigoschin seine Verbindung zu den Söldnern nie eindeutig bekannt. Auch Moskau bestritt die Existenz jahrelang vehement.

Wagner bietet skrupelloses Personal

Als zweiter Gründer ist der ehemalige Geheimdienstler Dmitri Utkin bekannt, der offizielle Wagner-Kommandeur. Er soll ebenfalls bei dem Absturz ums Leben gekommen sein. Ihm wurde eine Vorliebe für den deutschen Komponisten Richard Wagner nachgesagt – daher der Name der Truppe. Im Ukraine-Krieg spielte sie lange Zeit eine zentrale Rolle: Als Prigoschins größter militärischer Erfolg galt die blutige Eroberung der ostukrainischen Stadt Bachmut. Seine Männer sollen aber auch an dem Massaker in Butscha nahe Kiew beteiligt gewesen sein.

Wagner-Kämpfer waren in Syrien, anderen arabischen Ländern sowie in Afrika und Lateinamerika im Einsatz, und sind es auch heute noch. Dort liegt eine von vielen Geldquellen: Wagner bietet skrupelloses Personal und Dienstleistungen. Im Gegenzug gibt es Geld und Rohstoffe wie Gold und Diamanten. In Russland verdient Prigoschin Geld mit der Essensversorgung beim Militär, aber auch in Schulen und Kindergärten.

Die Wagner-Gruppe rekrutiert ihre Mitglieder unter Freiwilligen – im Ukraine-Krieg nicht zuletzt unter Häftlingen. Prigoschin lockte Schwerverbrecher mit dem Versprechen, nach halbjährigem Kriegsdienst die Begnadigungsurkunde zu erhalten. 32.000 Ex-Gefangene seien so in Freiheit gekommen. Etwa 10.000 frühere Häftlinge wurden nach Prigoschins Angaben allerdings allein im Kampf um Bachmut getötet. Bei Fluchtversuchen aus den Reihen der Armee soll die Hinrichtung drohen. Für Entsetzen sorgte etwa ein Video, das zeigen soll, wie ein abtrünniger Wagner-Mann mit einem Vorschlaghammer getötet wird.

Kommentatoren meinen stets, dass der Wagner-Chef seine Kritik mit dem Leben bezahlen werde. Wie andere Kritiker Putins zuvor.

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