Ein Feuerwerk über der Marina Bay von Singapur lässt Sebastian Vettel noch einmal erstrahlen. Es ist die Nacht des 22. September 2019, als der viermalige Weltmeister Abschied vom Siegen nehmen muss. Das weiß der Deutsche aber damals noch nicht.
Im Ferrari-Duell vor seinem Formel-1-Stallrivalen Charles Leclerc rast Vettel zu seinem 53., und wie sich später zeigt, letzten Grand-Prix-Erfolg. Was bleibt davon? «Mein letztes Formel-1-Rennen war emotional viel aufgeladener, weil ich wusste, dass es das letzte Rennen ist. Aber beim letzten Sieg weiß man ja noch nicht, dass es der letzte Sieg ist, es sei denn, es wäre das letzte Rennen gewesen», erzählte Vettel lächelnd vor dem Grand Prix von Singapur am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
Vettels «enormer Luxus»
«Ich hätte mir gewünscht, dass da noch mehr Siege kommen. Ich bin aber auch nicht traurig, dass es nicht so war. Ich kann mich nicht an alle meine Siege erinnern und das ist schon ein enormer Luxus», sagte der heute 36-jährige Vettel weiter.
Erstmals hatte der Heppenheimer in der Formel 1 2008 in Monza gewonnen, elf Jahre danach dann letztmals. Und was für ein Sieg das war! Vettel steckte damals mitten im Machtkampf mit Leclerc um die Vormacht bei der Scuderia. In Singapur hatten die Ferrari-Strategen noch den Hessen zuerst zum Reifenwechsel und damit zum Sieg gelotst. Leclerc fühlte sich hintergangen und rang sich beim Jubelbild vor der Team-Garage mühsam ein Lächeln ab. «Ich brauche schon noch ein paar Erklärungen, warum diese Entscheidung getroffen wurde», stänkerte der Monegasse.
Soviel Adrenalin, soviel Zoff. Davon ist Vettel heute weit entfernt. Den ersehnten WM-Titel mit Ferrari hat er sich nie erfüllen können, nach zwei Jahren bei Aston Martin beendete er Ende des vergangenen Jahres in Abu Dhabi seine Karriere. Einen neuen beruflichen Weg sucht Vettel, der sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einsetzt, noch heute.
Die Abnabelung von der Formel 1 fällt schwer
Die Formel 1 lässt ihn weiter nicht los. Sie war sein Leben, da fällt eine Abnabelung auch schwer. Selbst einen Rücktritt vom Rücktritt schließt er nicht aus. Erst am vergangenen Wochenende zog sich Vettel wieder einen Rennoverall an. Bei einem Show-Event von Red Bull auf der legendären Nordschleife am Nürburgring steuerte er einen RB7. In diesem Wagen feierte er 2011 seinen zweiten WM-Titel.
Soviele hat nun auch Max Verstappen. Sein dritter Triumph ist nur noch eine Frage von Wochen. «Er ist jetzt in der Situation, wo er Dinge kontrollieren kann und diese Kontrolle zur Perfektion umsetzt. Ich verfolge die Rennen dieses Jahr und finde es bewundernswert, welche Leistung er bringt. Ich weiß in gewisser Weise aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, so eine Serie zu haben, in der alles läuft und man auf dem allerhöchsten Punkt seiner Fähigkeiten ist. Das schaffen die anderen Fahrer im Moment nicht», lobte Vettel den Red-Bull-Dominator aus den Niederlanden. «Man könnte sagen, dass das Auto von Max überlegen ist, das mag auch so sein, aber trotzdem machen die anderen Fahrer nicht den gleichen Job wie Max, sie machen zu viele Fehler und sind hier oder da nicht ganz so wach und aufmerksam wie er im Moment.»
Erfolgsserien bedingen auch «Klarheit im Kopf»
Verstappen hat zuletzt beim Grand Prix von Italien in Monza Vettels bisherigen Rekord von neun Grand-Prix-Erfolgen nacheinander übertroffen. In Singapur kann der 25-Jährige die Bestmarke auf elf ausbauen. «Man sagt gerne: Wenn es läuft, dann läuft es. Diesen Moment, in dem es so gut läuft, bemerkt man selber nicht so sehr. In Momenten, wo es hingegen nicht so läuft, sehnt man sich oftmals danach und man versucht, dort wieder hinzukommen», erinnerte sich Vettel an seine eigene Serie von 2013, als er ebenfalls im Red Bull neunmal nacheinander erfolgreich war.
Viele Dinge müssten «bei so einem Run» zusammenkommen. «Das ist natürlich das Auto, das Team, aber auch die eigene Leistung, die Klarheit im Kopf, die Balance, auch das Leben außerhalb der Rennstrecke», erläuterte Vettel, bei dessen letztem Formel-1-Sieg Verstappen Dritter wurde. «Alles muss zusammenkommen, dass es konstant gut läuft.» Eben so wie bei Verstappen.