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Tod eines jungen Flüchtlings – Polizei vor Gericht

Fünf Polizisten stehen in Dortmund vor Gericht, nachdem ein 16-jähriger Flüchtling von der Polizei erschossen wurde.

Gerichtssaalfoto von fünf angeklagten Polizisten beim Betreten des Amtsgerichts Dortmund.aussiedlerbote.de
Gerichtssaalfoto von fünf angeklagten Polizisten beim Betreten des Amtsgerichts Dortmund.aussiedlerbote.de

Prozess - Tod eines jungen Flüchtlings – Polizei vor Gericht

Als die fünf Angeklagten vor Gericht erschienen, versteckten die fünf Polizisten ihre Gesichter hinter grauen Ordnern, um sich vor den zahlreichen Kameras und Zuschauern zu verstecken. Vor anderthalb Jahren war der Saal vor dem Amtsgericht Dortmund voll, als in Dortmund der Prozess wegen der Erschießung eines jungen Flüchtlings durch die Polizei begann.

Es besteht großes Interesse an der strafrechtlichen Aufklärung eines Einsatzes, bei dem laut Staatsanwaltschaft nahezu nichts verhältnismäßig war.

Die Angeklagten verfolgten die Verlesung der gegen sie erhobenen Anklage meist mit gesenktem Blick. Im August 2022 wurde Mouhamed Dramé aus dem Senegal fünfmal mit der Maschinenpistole eines Polizisten angeschossen, ohne dass den Ermittlern bewusst war, dass eine Gefahr für die Polizei oder Dritte bestand.

Fünf der sechs aus der MP5-Waffe abgefeuerten Projektile trafen den Teenager, der kurze Zeit später im Krankenhaus starb. Oberstaatsanwalt Carsten Daubert hat den Schützen nun wegen Totschlags angeklagt. Gegen zwei Kollegen im Alter zwischen 29 und 34 Jahren wurde wegen Gefährdung von Körperverletzung im Büro Anklage erhoben, gegen den Betriebsleiter, 55, wegen Anstiftung zur Körperverletzung.

Arbeite in einem Jugendhilfeträger

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde die Polizei in eine Jugendhilfeeinrichtung gerufen, weil der 16-Jährige offenbar ein Messer in suizidaler Absicht in der Hand hielt. Als der Rettungsdienst eintraf, lehnte er ruhig an einer Innenhofmauer und hielt ein Haushaltsmesser auf seinen Bauch gerichtet.

Als er auf eine kurze Rede nicht reagierte, befolgte angeblich ein Beamter die Anweisungen seiner Vorgesetzten und besprühte ihn ohne Vorwarnung mit Pfefferspray. Sie richtete die Sprühflasche sechs Sekunden lang auf den Teenager, bis das reizende Gas über sein Gesicht strömte.

Als er aufstand und auf die Polizei zuging, das Messer immer noch in der Hand, wurde er zunächst mit einem Taser und weniger als eine Sekunde später mit einer Maschinenpistole angeschossen.

Oberstaatsanwalt Daubert sagte, Drameh sei „nie aufgefordert worden, das Messer niederzulegen“. Er betonte, dass es keine Rechtfertigung für den Einsatz von Pfefferspray, Tasern und Maschinenpistolen gebe. Fünf Schüsse trafen den Teenager in Bein, Bauch, Schulter, Gesicht und Unterarm.

Von den Verteidigern der Angeklagten gab am ersten Verhandlungstag nur der Anwalt des Schützen, Christopher Kreckler, eine kurze Stellungnahme ab. Seinem Mandanten und seiner Familie geht das Verfahren „sehr schwer“. Drame kam wegen ihm, dem Schützen, ums Leben. Kreckler sagte, sein Mandant sei nicht der Einzige gewesen, der sich bedroht gefühlt habe, als Drameh aufstand und mit einem Messer auf die Polizei zuging, und verwies darauf, dass sein Kollege etwa zur gleichen Zeit einen Taser eingesetzt hatte. „In diesem Fall ist es meinem Klienten völlig egal, welche Hautfarbe Mohamed Drameh hat“, betonte er.

Der Tod eines senegalesischen minderjährigen Flüchtlings hat landesweite Empörung und Debatte über die Ressourcenverteilung der Polizei ausgelöst. Auch rassistische Beweggründe wurden diskutiert.

Protest gegen Polizeibrutalität

Zu Beginn des Prozesses trotzte eine kleine Gruppe von Demonstranten dem Nieselregen, um vor dem Bezirksgericht gegen Polizeigewalt zu protestieren. Sie trugen Kartons mit dem Porträt Mohammeds. William Dountio vom Solidarity Circle Justice4Mouhamed, der in engem Kontakt mit der Familie steht, sagte, es sei ein Versuch gewesen, den Fall aufzuklären und Gerechtigkeit zu erlangen. „Sie wollen wissen, warum sie Mohammed auf so schmerzhafte Weise verlieren mussten. Dieser Prozess ist jetzt der erste Schritt, um diese Antworten zu bekommen“, sagte Dutio.

Im Namen der Familie trat auch der Strafverteidiger und Kriminologe Thomas Feltes auf. Am Rande des Prozesses sagte er, er hoffe auch, dass dadurch ein Signal gesendet werde, dass Politik und Polizei ihre Strategien im Umgang mit Menschen in besonderen Situationen überdenken sollten. Er wusste, dass die Polizei Tausende solcher Einsätze erlebt und diese meist gut gelöst hatte. „Aber es gibt immer wieder eskalierende Situationen, die zu Fehlentscheidungen führen.“ Seiner Meinung nach gilt das Gleiche auch im Fall Dortmund: „Mohammed kann nicht entkommen. Für mich gibt es keinen Grund, diese stabile Situation mit Pfefferspray zu verändern.“ „Es ist eine instabile Situation“, sagte Feltes. Pfefferspray steigert die Aggression nur, verringert sie nicht.

Die Verhandlungen sind bislang auf zehn Tage bis April angesetzt. Der Prozess wird am 10. Januar 2024 fortgesetzt.

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Quelle: www.stern.de

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