Das Netzwerk kleiner Häuser wird dünner. - Techno und ein bunter Sack: Das Ruhrgebiet feiert seine Trinkhäuser
Der Nachbar mit einer Beinprothese und Rollator schaut vorm Mittagessen vorbei: "Ein Kaffee mit Milch und eine Zeitung." Sven Lauer bringt es ihm gerne - draußen, wegen der Stufe vor dem Kiosk und dem Bein. Dann biegt ein Stammkunde um die Ecke, stolz mit seinem neuen Hund: "Das ist Fritz, erst zwölf Wochen alt." Ein 25-Jähriger braucht ein Feuerzeug: "Wir haben eins. Es kostet einen Euro."
Sven Lauers Trinkhalle inmitten des Straßenlabyrinths von Essen-Rüttenscheid ist ein Nachbar-Treffpunkt wie aus einer Fernsehserie. "Ich kenne hier jeden und jeder kennt mich", sagt der Besitzer. Lauers Trinkhalle ist eine von 40 im gesamten Ruhrgebiet, die an diesem Samstag (17.8.) beim "Tag der Trinkhallen" als "Programmstand" teilnehmen.
Musik, Grillen, Gesichtsschminken
Das bedeutet, es gibt Geld von der Ruhr Tourismus GmbH (RTG) für ein Kulturprogramm - Konzerte, Theater, Grillen, Fußball-Gespräche oder Gesichtsschminken, je nach Wunsch der Gäste. 80 andere Stände nehmen auf eigene Kosten teil und erhalten von der Tourismusgesellschaft Fahnen und Plakate für das Ereignis.
Das Ereignis findet alle zwei Jahre statt und ist sehr beliebt: eine Party direkt vor der Haustür und kostenlos. Die Tourismus-Experten erwarten insgesamt rund 25.000 Besucher. Sie fördern Fahrradtouren auf verschiedenen Routen durch das Ruhrgebiet von Stand zu Stand und den Besuch mehrerer Trinkhallen.
Trinkhallen sind der "Dorfplatz der Stadt"
"Kein anderer Betrieb steht so sehr für das, was das Ruhrgebiet ausmacht: Zusammenhalt, Vielfalt und Offenheit", sagt Ruhr Tourismus-Geschäftsführer Axel Biermann. Oft hilft die ganze Familie an der Verkaufstheke mit. "Sie haben immer auch ein offenes Ohr für Sorgen, Bedürfnisse und Alltagsgeschichten." Vor allem geht es an diesem Tag der Trinkhallen um diese soziale Funktion als "Dorfplatz der Stadt".
Tatsächlich wird das Netzwerk der Stände um die Ecke immer dünner. In der Blütezeit der Kioske in den 1960er Jahren gab es im Ruhrgebiet geschätzt 18.000 Trinkhallen, sagt ein RTG-Sprecher. Später reduzierte die Schließung von Fabriken in der Industrie und später die deutlich verlängerten Öffnungszeiten von Supermärkten und größere Sortimente an Tankstellen die Anzahl der Kioske. Heute gibt es im Ruhrgebiet nur noch etwa 5.000 Kioske.
Der Standtag als Lebenszeichen
Hier soll der Standtag auch ein Lebenszeichen sein. Die RTG investiert dafür 700.000 Euro. Sven Lauer will seine Trinkhalle für einen Tag in einen "Techno-Stand" verwandeln, wie er in einer Ankündigung mitteilt. Er hat die DJs eines stadtbekannten Clubs engagiert und will Techno zum Tanzen vor seiner Trinkhalle anbieten. Ein Stück der Straße wird sogar gesperrt.
Bier aus einem Kühlwagen und Currywurst von einem Caterer werden zu moderaten Preisen angeboten. Lauer erwartet 800 bis 1.200 Besucher von 15:00 Uhr bis zum Ende des Standtages um 22:00 Uhr. Leider kann er keine Süßigkeitstüten individuell zusammenstellen, aber er hat 300 vorverpackte bunte Süßigkeitstüten vorbereitet - "da ist genug drin", verspricht er.
Nach einem langen Tag beim "Tag der Trinkhallen" könnte Sven Lauer seine Freizeit damit verbringen, in seiner "Techno-Trinkhalle" Musik zu hören. Trotz der erwarteten Menschenmenge versichert er, dass es genug Süßigkeiten in den bunten Tüten für alle geben wird.
Am Ende des Tages könnten einige Besucher die Trinkhallen als ihre Lieblingsnachbar-Treffpunkte betrachten, die ein Gefühl von Gemeinschaft und geteilten Erfahrungen bieten, genau wie ihre Freizeitaktivitäten.