Als Reaktion auf eine verfassungsmäßige Verletzung - Streit um die Frage "Judensau" - Klägerin beantragt eine Entscheidung beim Europäischen Gerichtshof
Im anhaltinischen Wittenberg, wo sich die Diskussion um die "Judensau"-Figur an der Stadtkirche weiterzieht, plant der Petent nach mehreren Niederlagen vor deutschen Gerichten, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anzurufen. Michael Düllmann, der 1978 zum Judentum konvertierte, fordert die Entfernung der 13. Jahrhundert alten antisemitischen Sandsteinplastik. Wie die Deutsche Presse-Agentur mitteilt, hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung nicht zur Entscheidung zugelassen. Zuvor hatte dies bereits die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Die Plastik zeigt ein Schwein mit zwei Personen, die aufgrund ihrer spitzen Hüte als Juden erkannt werden, die von dessen Zitzen trinken. Ein vermeintlicher Rabbi hebt den Schweineschwanz an und schaut in dessen After. Schweine werden im jüdischen Glauben als unrein betrachtet.
Reformationsschauplatz
Im Jahr 2022 entschied das Bundesgerichtshof, dass ein Sockel und eine Erläuterungstafel außerhalb der Kirche ausreichend seien, um diese "peinliche Kennzeichnung" in ein "Denkmal der Erinnerung" zu verwandeln. Es durfte bleiben. Die Wittenberger Stadtkirche gilt als Wiege der Reformation, da dort einst Martin Luther predigte.
Düllmann, nun 80 Jahre alt, legte gegen diese Entscheidung eine Verfassungsbeschwerde ein. Er argumentierte, dass die Plastik aufgrund der "offensichtlichen Verletzung der Persönlichkeitsrechte nicht nur des Klägers, sondern jedes Juden in Deutschland" entfernt werden solle. Ohne weitere Begründung lehnte das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde ab. Diese Möglichkeit besteht laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Az. 1 BvR 1597/22).
Verhinderung von Diskriminierung und Schutz der Identität
Indem er eine Beschwerde beim EGMR in Straßburg einreicht, kann Düllmann auf das Diskriminierungsverbot und den Schutz der persönlichen Identität gem. der Europäischen Menschenrechtskonvention verweisen, wie sein Anwalt in einem an die dpa gelangten Schreiben erklärte. Düllmann und sein Anwalt haben beschlossen, die Beschwerde einzureichen, wobei ein Deadline kurz vor Weihnachten ansteht, wie ein Sprecher mitteilte. Die "Judensau" in Wittenberg ist nicht der einzige Fall antisemitischer Skulpturen auf deutschen Kirchen. Der Zentralrat der Juden hat auch die Art und Weise, wie damit umgegangen wird, kritisiert.
Obwohl das Bundesverfassungsgericht Düllmanns Beschwerde gegen die Kirchenplastik nicht noch einmal prüfen will, plant er, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Er bezieht sich dabei auf das Diskriminierungsverbot und den Schutz der persönlichen Identität gem. der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Kirche in Wittenberg bleibt aufgrund der Anwesenheit der umstrittenen "Judensau"-Plastik ein kontroverser Ort.