Kammergericht - Spionageverdacht: Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes steht vor Gericht
Die Bundesanwaltschaft sieht darin Landesverrat: Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) soll geheime Informationen an Russland weitergegeben haben. Fast ein Jahr nach der Verhaftung des 53-Jährigen begann am Mittwoch (9.30 Uhr) in Berlin unter hohen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen einen der aufsehenerregendsten Spionagefälle der vergangenen Jahre. Der Mitangeklagte, ein 32-jähriger Diamantenhändler, steht unter dem Verdacht der Mittäterschaft.
Anklage der Bundesanwaltschaft
Die beiden Deutschen sollen im Herbst 2022, wenige Monate nach Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine und des Krieges, zwei geheime Nachrichten an den russischen Geheimdienst FSB weitergegeben haben. Er soll zwei der Beschuldigten für seine Dienste bezahlt haben: den BND-Mitarbeiter Carsten L. mit 450.000 Euro und den Geschäftsmann Arthur E. mit mindestens 400.000 Euro.
Carsten L. soll den Ermittlern zufolge im September 2022 und Oktober 2022 an seinen Arbeitsplätzen in Berlin und Prach bei München neun interne BND-Dokumente ausgedruckt oder fotografiert haben. Arthur E. soll dann die geheimen Spionageinformationen an den russischen Geheimdienst weitergegeben und sich mehrfach mit Mitarbeitern des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) in Moskau getroffen haben. Diese Treffen sollen von einem russischen Unternehmer arrangiert worden sein, der E. bekannt war. Der Anklageschrift zufolge buchte und finanzierte er auch die Flugreisen des Geschäftsmannes.
Männer Verhaftung
Carsten L. wurde am 21. Dezember 2022 in Berlin verhaftet, seine Wohnung und sein Arbeitsplatz wurden durchsucht. Arthur E. wurde als mutmaßlicher Mitverschwörer im Januar 2023 am Münchner Flughafen bei der Einreise in die Vereinigten Staaten festgenommen. Damals hieß es, dass die Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Bundesnachrichtendienst und mit Unterstützung des Federal Bureau of Investigation der US-Bundespolizei durchgeführt wurden. Beide sind inzwischen festgenommen worden. Am 24. August erhob die Generalbundesanwaltschaft Anklage.
So funktioniert der Prozess
Aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass der Prozess ursprünglich für 51 Tage angesetzt war, mit einer Frist bis zum 17. Juli 2024. Einige Verhandlungen können hinter verschlossenen Türen stattfinden, da viele Informationen als geheim eingestuft sind. Es werden strengste Sicherheitsmaßnahmen angewandt. Handys und Laptops sind im Verhandlungssaal nicht erlaubt. Auch Uhren oder Schmuck (wie geprägte Ringe oder Medaillons) sind nicht erlaubt. Auch Füllfederhalter oder Kugelschreiber sind tabu. Stifte für Notizen werden vor Ort zur Verfügung stehen, so das Gericht.
"Wenn es um den Geheimdienst geht, muss man sich eine Scheibe von James Bond abschneiden", kommentierte Gerichtssprecherin Lisa Gianni das Vorgehen. Solch strenge Sicherheitsvorkehrungen gab es auch beim Prozess gegen den ehemaligen vietnamesischen Manager Trinh Xu Thanh in Berlin im Sommer 2017. Das Berliner Kammergericht hat 2018 einen Angeklagten und einen Komplizen, ebenfalls aus Vietnam, verurteilt. 2023 wegen geheimdienstlicher Tätigkeit und Beihilfe zur Freiheitsberaubung jeweils zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Einschätzung der Bundesanwaltschaft
Die Bundesanwaltschaft hat erklärt, dass der aktuelle Spionagefall ein Staatsgeheimnis im Sinne des Strafgesetzbuches ist. Das Bekanntwerden habe "in beiden Fällen zu einer besonders schweren und ungünstigen Gefährdung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geführt".
In ihrer Anklageschrift stellte die Bundesanwaltschaft zudem fest, dass es sich um einen besonders schweren Fall des Straftatbestandes des Landesverrats handelt. Wenn der Täter seine Pflicht zur Wahrung von Staatsgeheimnissen missbraucht hat, wozu er ausdrücklich aufgefordert wurde, kann er zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren und höchstens lebenslänglich verurteilt werden.
Weitere Vorfälle beim BND
Der BND ist der deutsche Auslandsnachrichtendienst. Er beschäftigt rund 6.500 Mitarbeiter und ist für die Unterrichtung der Bundesregierung über außen- und sicherheitspolitisch wichtige Entwicklungen zuständig.
Zuletzt wurde 2014 ein sogenannter "Maulwurf" (Doppelagent) entdeckt. Das Oberlandesgericht München befand den 32-Jährigen später des Landesverrats und der Verletzung von Dienstgeheimnissen durch jahrelange Spionage für schuldig und verurteilte ihn zu acht Jahren Haft. Der gelernte Bürokaufmann hatte zwischen 2008 und 2014 mehr als 200 zum Teil streng geheime BND-Dokumente an den US-Geheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) weitergegeben und dafür mindestens 80.000 Euro kassiert.
Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz bezeichnete das Ausmaß des Verfahrens gegen Carsten L. und Arthur E. als "sehr schwerwiegend". "Das ist ein Beispiel für ein massives Versagen bei der Eigensicherung", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Es ist richtig und äußerst wichtig, diesen Fall zum Anlass zu nehmen, die Sicherheitsvorkehrungen der Nachrichtendienste grundlegend zu überprüfen." Prozessankündigung Anklageschrift 8. September 2023 Landesverratsstrafrecht Staatsgeheimnisstrafrecht Konspirationsstrafrecht Informationen zum BND Verhaftungsankündigung Artur E. Verhaftungsankündigung Carsten L.
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Quelle: www.stern.de