Scholz verirrt sich – und Merz gefällt es so
Es ist erstaunlich, wie viele Politiker aus verschiedenen Lagern sich so gut verstehen, auch wenn sie im Bundestag und in Fernsehsendungen oft miteinander streiten. Olaf Schulz und Friedrich Merz hingegen mochten sich tatsächlich nicht. Keiner von ihnen hielt viel vom anderen. Auch deshalb darf man keine allzu großen Erwartungen an das Treffen der Kanzlerin mit dem Oppositionsführer an diesem Freitag hegen. Aber das ist nur eine Frage für die Regierungschefs. In der Einwanderungspolitik ließ sich Scholz von der Opposition in eine Sackgasse führen, aus der es für ihn kein Entrinnen gab. Ganz gleich, welche Maßnahmen er der EU vorschlägt, um die Zahl der Asylbewerber und Ausreisedeutschen zu reduzieren: CDU-Chef Merz hält das nicht für ausreichend und wird die Ampel weiterhin mühelos vorantreiben.
Scholz brachte die Idee eines Abkommens mit Deutschland ins Spiel, in der Hoffnung, die größten Oppositionsparteien CDU und CSU einzubeziehen, um schließlich wieder Schwung für Regierungsmaßnahmen zu gewinnen. Die Reduzierung der Flüchtlingszahlen ist nur eines von mehreren Themen, die der Ampel-Chef gemeinsam mit den Konservativen angehen will, die viele Länder regieren. Im Mittelpunkt seiner Bundestagsrede am 6. September stand eigentlich der Abbau von Bürokratie zum Wohle der Bürger und der Wirtschaft. Doch was die Koalition aus dem Vorschlag mitnimmt, ist vor allem ein Vorschlag für Änderungen in der Asylpolitik. Scholz, der sich für einen großen Strategen hielt, tappte in eine Falle, die er selbst gemacht hatte. Seitdem und insbesondere im Zusammenhang mit den Wahlen in Bayern und Hessen verspricht er immer häufiger, die Zahl der Asylbewerber zu senken. Obwohl es nur scheitern kann.
Viele kleine Anpassungen, keine große Wirkung
Es kann Jahre dauern, bis die EU-Asylreform Wirkung zeigt, mit mehr Grenzkontrollen und entschiedeneren Anti-Schleuser-Einsätzen, schnelleren Asylverfahren, die es einfacher machen Abschiebungen durchzuführen und Geldleistungen für Menschen im Asylverfahren zu kürzen – das sind alles Schritte in die richtige Richtung. Die meisten Menschen wünschen sich, dass die Bundesrepublik kontrollieren kann, wer nach Deutschland kommt und hier bleiben darf. Sie prognostiziert, dass die Hilfsbereitschaft hierzulande so gestaltet sein wird, dass der Rest Europas sich nicht auf Kosten Deutschlands schwächt. Das Argument von CSU-Chef Markus Söder, dass der Integration Grenzen gesetzt werden müssten, hat einen Nerv getroffen: Die meisten Menschen glauben offenbar, dass die Grenze der Zahl der Menschen, die jedes Jahr aufgenommen und integriert werden können, erreicht sei.
Doch Scholz wird der Forderung nach einer schnellen und vor allem drastischen Reduzierung der Besuchszahlen, die er unter dem Eindruck der schlechten Ergebnisse der SPD verschärft hat, nicht gerecht werden können: Druck angesichts so vieler Aufgrund der weltweiten Krise und Armut bleibt der Druck auf Europas Außengrenzen hoch, während die Mittelmeerländer verfolgte, gefährdete und verzweifelte Menschen aus Afrika und Asien nach Deutschland überführen werden. Die Praxis der Bundesregierung, von den Herkunftsländern abgelehnter Asylbewerber zu verlangen, dass sie ihre Staatsangehörigen zurückfordern, ist richtig und langwierig. Insgesamt könnten ohne weitere Krisen und die damit einhergehende Ankunft weiterer Flüchtlinge die Ankünfte und die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen vier- bis fünfstellig zurückgehen.
Die Stimmung hat sich geändert
Die Aufgabe der Allianz ist hier einfach: Wenn die Zahlen sinken, wird sie behaupten, den Premierminister auf eine Jagdreise mitgenommen zu haben. Wenn das nicht klappt, sind die Kanzlerin oder die Ampel in der Einwanderungspolitik gespalten und nicht so auf einer Linie, wie es CDU und CSU fordern. Der Kanzler muss sich fragen, wie er in diese Sackgasse geraten ist. Vor einigen Monaten machte er einen entscheidenden Fehler: In diesem Frühjahr lehnte er Anträge von Ländern und Kommunen nach mehr finanzieller Unterstützung für die Flüchtlingsversorgung ab. Von diesem Zeitpunkt an häuften sich auf allen Ebenen Frustrationen, die nur schwer zu lösen waren.
Wenn die Bund-Länder-Konferenz am Montag tatsächlich die beantragten Milliarden erhält, wird das nichts an der allgemeinen Stimmung in Asylfragen ändern. Scholz hat weder die Kraft noch die politische Überzeugung, Gelder von Christian Lindner, dem Bundesfinanzminister und Vorsitzenden der Koalitionspartei FDP, an sich zu reißen. Stattdessen machte er sich von der Kooperationsbereitschaft des Bündnisses abhängig. Friedrich Merz hat das gefallen.
Quelle: www.bild.de