Sein Name fehlt im deutschen Aufgebot für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften.
Wenn die Speerwerfer am 27. August in Budapest am finalen WM-Abend um die Medaillen kämpfen, kann Johannes Vetter nur wehmütig aus der Ferne zuschauen. Schon im vorigen Jahr in Eugene war der Titelträger von 2017 nicht dabei, und ein Start bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris ist ungewiss.
Derzeit ist Vetter froh, einen Wettkampf mit sechs Würfen so zu überstehen, dass seine lädierte Schulter danach nicht behandelt werden muss. So wie am vergangenen Samstag in Leverkusen, als der 30-Jährige die letzte Chance auf eine WM-Nominierung klar verpasste, obwohl er erstmals in dieser Saison über 80 Meter weit warf.
Vier Tage zuvor konnte er erstmals seit langer Zeit wieder mehrere Würfe aus vollem Anlauf absolvieren, ohne dass die Schulter extrem reagierte. Das war anderthalb Jahre lang nicht möglich. «Bis vor einigen Wochen konnte ich nicht einmal einen Stein intuitiv ins Wasser werfen. Ich musste mich darauf konzentrieren, dass die Bewegung sauber ausgeführt wird», berichtete Vetter in einem Interview des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.
«Gesamtkörper jammert natürlich»
85,20 Meter wären für ein WM-Ticket nötig gewesen. Das sind für Vetters Maßstäbe eigentlich lächerliche Weiten: Vor knapp drei Jahren schleuderte er den Speer auf 97,76 Meter und damit fast auf Weltrekordweite. Das ist derzeit undenkbar, denn: «Der Gesamtkörper jammert natürlich, weil die Wettkampf-Belastung so groß war», sagte Vetter. Ihm fehlen die früher gewohnten harten Reize und Belastungen.
Dass er nach einigen Absagen für andere Wettkämpfe kurzfristig überhaupt antreten konnte, war an sich schon ein Erfolg. Doch Vetter war deutlich anzusehen, wie sehr es in ihm rumorte. Nach manchem Versuch im Leichtathletik-Stadion von Bayer Leverkusen schien ein wenig Resignation aus seinen Gesichtszügen zu sprechen, weil der Speer einfach nicht so weit flog, wie Vetter es sich insgeheim wohl gewünscht hatte.
«Frustrierend ist, wenn man daran denkt, aus welchen Leistungsbereichen ich 2020 und 2021 gekommen bin. Der Weg zurück ist aktuell extrem hart und wird auch zu den Olympischen Spielen in Paris hart werden», sagte Vetter. «Wo soll es auch herkommen nach der langen Pause? Es ist einfach ein schmaler Grat, dass alles zusammenpasst.»
Wenige Monate, nachdem Vetter als Olympia-Favorit in Tokio mit einem für ihn zu weichen Belag nicht zurechtgekommen war, begannen im folgenden Winter seine Schulterprobleme. Nach langer Ursachenforschung geht er mittlerweile von einer Verdickung in der vorderen Gelenkkapsel aus.
Röhler landet in Leverkusen auf Rang fünf
Zu viel Physiotherapie ist allerdings nicht gut, ebenso wenig wie zu viel Training – auf diesem schmalen Grat bewegt sich Vetter. In diesem Jahr hofft der Offenburger, sich an die 85 Meter herantasten zu können. «Es geht darum, mit einem guten Gefühl die Olympia-Vorbereitung für Paris zu beginnen», betont er.
Nahezu unbemerkt unternahm in Leverkusen auch der Olympiasieger von Rio, Thomas Röhler, den nächsten Versuch, sich in einstige Leistungsbereiche vorzutasten. Der immer wieder von Problemen gestoppte 31-Jährige kam mit nur 76,62 Metern auf Platz fünf – die Bestleistung des 31 Jahre alten Jenaers steht bei 93,90 Metern.
So ruhen die Hoffnungen auch bei der WM nun wieder auf Julian Weber. «Ich will natürlich ganz vorn mit dabei sein», betonte der Mainzer nach seinem lockeren Sieg in Leverkusen nach überstandenem Infekt. Der 28-Jährige hat derzeit das Selbstvertrauen, das Vetter nur über weite Würfe zurückbekommen kann. Weber betonte, dass er sich 2024 wieder ein starkes deutsches Trio wünscht – Konkurrenz im eigenen Land kann für Olympia nicht schaden. Der 6. August 2024, der Tag der Qualifikation, ist auch Vetters nächster Fixpunkt.