Nach der Rückgabe der ersten geraubten Benin-Bronzen an Nigeria durch die Stadt Hamburg rücken nun Objekte aus dem Südsee-Raum ins Zentrum der Provenienzforschung. Konkret gehe es um die Hamburger Expedition zwischen 1908 und 1910, welche umfangreiche Sammlungen aus deutschen Kolonialgebieten in die Hansestadt gebracht habe, teilte das Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt (MARKK) am Donnerstag mit. Das zweijährige Forschungsprojekt untersuche ihre Erwerbsumstände im kolonialen Kontext während der ersten von zwei Expeditionsreisen und widme sich dem Zusammenwirken von Wissenschaft, Wirtschaft und Kolonialmacht.
«Die Südsee-Expedition war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines der größten wissenschaftlichen Projekte Hamburgs und verfolgte klare koloniale und wirtschaftliche Ziele», sagte MARKK-Direktorin Barbara Plankensteiner. Eine Analyse der Unrechtskontexte von Sammeltätigkeiten und Datenerhebungen sei eine Grundvoraussetzung, um mit Vertreterinnen und Vertretern der Nachfolgegesellschaften über den künftigen Umgang mit diesem Bestand in Austausch zu treten. Das Museum werde dabei von der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung und vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste unterstützt.
Bei der Hamburger Südsee-Expedition wurden den Angaben zufolge mehr als 12.000 Objekte, eine Vielzahl von Feldnotizen sowie rund 1700 Fotografien und Skizzen angehäuft. Darüber hinaus entstand bei der Reise in Kooperation mit der Wissenschaftlichen Stiftung und dem ehemaligen Museum für Völkerkunde Hamburg, dem heutigen MARKK, ein in 30 Bänden publizierter Ergebnisbericht.
Die Forschung werde sich in einem ersten Schritt der Quellenlage widmen, um die Kontexte der im Reisejahr 1908/09 im Bismarck-Archipel und in Neuguinea angelegten ethnographischen Sammlungen auszuleuchten. Diese Rekonstruktion solle dann in einem zweiten Schritt mit den Partnerinnen und Partnern aus Papua-Neuguinea abgeglichen und neu bewertet werden. Die Forschungsergebnisse werden mit Partnern vor Ort geteilt und die Notwendigkeit potenzieller Rückgaben soll auf ihrer Basis erkundet werden», wie das Museum erklärte.
Die Stadt Hamburg hatte im Dezember vergangenen Jahres begonnen, die ersten geraubten Benin-Bronzen an Nigeria zurückgeben. Zuvor war ein Vertrag zur vollständigen Eigentumsübertragung und zur Rückgabe der 179 Bronzen aus dem ehemaligen Königreich Benin mit einem Schätzwert von 60 Millionen Euro unterzeichnet worden. Ein Drittel der Objekte soll als Leihgaben im Museum am Rothenbaum bleiben. Die Bronzen schmückten einst den Herrscherpalast des Königreichs Benin, dessen Gebiet heute zu Nigeria gehört. 1897 plünderten britische Truppen den Königshof. So gelangten Tausende Kunstschätze über Europa in die Welt – auch in Hamburger Museen.