Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke dringt auf eine stärkere Begrenzung der Zuwanderung und schlägt dazu unter anderem vor, Geldzahlungen an Asylbewerber auf Sachleistungen umzustellen. «Um die Anreize zur Migration nach Deutschland zumindest etwas zu verringern, halte ich die Umstellung von Barzahlungen auf Sachleistungen für einen ersten geeigneten Schritt», sagte der Sozialdemokrat der Deutschen Presse-Agentur.
Bisher kommt diese Forderung von den Unionsparteien und der Regierungspartei FDP. Der Koalitionspartner Grüne war bislang dagegen. Die Kommunalverbände sträubten sich aus Angst vor zu viel Bürokratie ebenfalls dagegen.
Woidke steht unter Druck, weil irregulärer Einreisen über die deutsch-polnische Grenze deutlich zunehmen, der Unmut der Bevölkerung wächst und er im kommenden Jahr eine Landtagswahl bestehen will. In den Umfragen liegt die AfD vorn. Bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag in Bayern und Hessen hatte die SPD verheerende Niederlagen eingefahren.
Was Woidke will
«Es braucht jetzt eine deutliche Senkung der Migrationszahlen für Deutschland einerseits und eine stärkere Bekämpfung der Schleuserkriminalität anderseits», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Das sei zuerst die Aufgabe der Bundesregierung. «Deshalb müssen Bund und Länder schnell zusammenkommen, denn wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung, um in der Migrationsfrage endlich Lösungen zu finden.» An diesem Freitag dürfte die Entwicklung Thema auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz sein.
Der Brandenburger Regierungschef forderte auch, Menschen ohne Bleiberecht «konsequenter in ihre Heimatländer zurückzubringen». «Hierfür müssen wir die Regeln, die schon da sind, konsequent umsetzen», sagte Woidke.
Was die Bürger wollen
Dass der Unmut über die aktuelle Migrationspolitik groß ist, zeigt auch eine Insa-Umfrage für die «Bild»-Zeitung. Den 1004 Befragten waren fünf Themenfelder genannt worden, bei denen sie sagen sollten, ob die Bundesregierung weitermachen sollte wie bisher oder einen neuen Kurs einschlagen sollte. Am stärksten wurde ein Kurswechsel in der Migrationspolitik verlangt: 59 Prozent votierten dafür (Weitermachen: 18,5 Prozent). Dahinter folgt der Wunsch nach einem Kurswechsel in der Wohnungspolitik, den 52 Prozent befürworteten (Weitermachen: 20 Prozent).
Was Experten für nötig halten
Auch der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), Hans Vorländer, sieht das so. «Ich glaube, dass die Ampel-Regierung auch in der Migrationspolitik für Veränderungen sorgen muss, damit die Parteien, aus denen sie besteht, im nächsten Jahr nicht völlig unter die Räder kommen», sagte der Vorsitzende des unabhängigen Expertengremiums der dpa.
Den großen Veränderungswunsch führt Vorländer darauf zurück, dass die Kommunen über ihre Belastung bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten klagen, sowie auf den politischen Diskurs: Bisweilen werde suggeriert, es gäbe einfache Lösungen, mit denen sich die Zahl der Schutzsuchenden stark reduzieren lasse, sagte er.
Eine wichtige Stellschraube, an denen die Regierung von SPD, Grünen und FDP drehen müsse, um mehr Kontrolle in das Zuwanderungsgeschehen zu bringen, sei die angestrebte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese sieht für einen Teil der Schutzsuchenden Asylprüfungen an den EU-Außengrenzen und auch Rückführungen von dort vor. Der SVR-Vorsitzende warnte: «Wenn die GEAS-Reform vor der Europawahl (im Juni 2024) nicht erreicht wird, dann ist ein weiteres Erstarken von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten in Europa zu erwarten.»