Reeperbahn - Liebe, Party und Trinken – Lemitz' Foto von der Unterseite eines Burgers
Hamburgs Goldener Handschuh, Elbschlosskeller, Clochard und Lemitz. Jahrzehntelang dienten diese Bars als Abwasserkanäle der Stadt. Die eingestürzten und gründlich fertiggestellten Auffangbecken fanden ihre letzte Zuflucht. Fotoserie der Hamburger Lemitz Bar von Anders Petersen. Zwischen 1967 und 1971 besuchte der schwedische Fotograf die Hamburger Brasserie „Café Lehmitz“ nahe der Reeperbahn. Von akademischer Qualifikation und Intelligenz her hat Peterson eigentlich nichts mit dieser Welt zu tun. Der 17-Jährige war zufällig von dieser Szene fasziniert. Seine Eltern schickten ihn nach Hamburg, um Deutsch zu lernen. Sie wussten nicht, dass eine Freundin namens Gertrude ihn entführt und in ein Geschäft wie Lemitz gebracht hatte.
Peterson wurde zum Chronisten von Alkoholikern und Prostituierten und schaffte es, die Verlorenen vor seiner Kamera nicht zu verurteilen. Seine Protagonisten tragen Namen wie Korn-Uschi, Der Zwerg oder Karin Jägermeister. Bei Gypsy Uchi durfte er auf der Couch schlafen. Lieblingsgetränk: Cohn und Bier, oder noch besser: Cohn und gelbe Limonade.
Konzept der Einheit
Obwohl diese Bilder atemberaubend sind, sind sie auch stark vom offenen Geist des Fotografen beeinflusst. Es gelang ihm, den Abend von Lemitz wie eine beneidenswert wilde Party aussehen zu lassen, nur dass die Gäste noch verrückter aussahen als sonst. Peterson errichtete in Remitz ein Denkmal für Alkoholiker und Prostituierte. Er richtete die Kamera in einem Moment erhöhter Emotionen – und der Menschenfreund ignorierte das wahre Elend des Lebens am nächsten Morgen, als der Rausch nachließ.
„Ich wollte nicht, dass daraus Sozialpornografie wird“, sagte er dem Reporter, der das Vorwort zum Bilderbuch schrieb. „Ich möchte nicht, dass du schreibst: Diese Frau ist Alkoholikerin und hat zwei Kinder. Sie verkauft sich im Badezimmer.“
Peterson hat also möglicherweise mehr Licht auf den Stand von Armory Market gebracht, als es tatsächlich der Fall war. „Ich habe all diese sehr armen, einsamen, deprimierten Menschen gesehen, aber ich hatte auch das Gefühl, dass sie ein Herz aus Gold haben“, sagte er auf einer Ausstellung in Hamburg.
Wie Dachrinnen Veränderungen widerstehen
Was den Betrachter überrascht, ist, wie sehr dieser Ausläufer der Metropole von seiner Zeit abweicht. Wie hat sich Hamburg seit 1962, 1970 (Petersen) und 1975 (Honka) verändert? Die Stadt verwandelte sich von einer Ruinenstadt in eine Weltstadt, Port Malochis entwickelte sich zu einem Dienstleistungszentrum – doch die Szene an der Getränketheke bleibt dieselbe.
Die Reeperbahn wird in der schockierenden Dokumentation Mondo Cane von 1962 gezeigt
Das beeindruckendste Filmdokument stammt aus dem Jahr 1962 – der Oscar-prämierte Dokumentarfilm „Mondo Cane“ zeigte dem Publikum eine besondere und unbekannte Seite der Welt, die noch nicht bekannt war. Ein Kaleidoskop spannender und schockierender Momente. Es gab Perlentaucher aus der Südsee. Das erste Fitnessstudio für Frauen wird in Hollywood eröffnet. In Deutschland entschieden sich die Macher des „Mondo Cane“ für die Reeperbahn – die größte Trinkmeile der Welt. Fast ein Jahrzehnt liegt zwischen Peterson und Mondo Cane, aber die Fotos sind sich so ähnlich, als wären sie in derselben Nacht aufgenommen worden. Menschen, deren Leben vom Alkoholismus geprägt war, umarmten sich, liebten einander und kämpften miteinander, während ihre Rettungsboote in den Strudel gezogen wurden.
Sie können auch heute noch mit dem Goldenen Handschuh rumhängen. Um jedoch den Touristen aus dem Weg zu gehen, ist es am besten, Elbeburg zu besuchen. Burger bleibt unten. Für manche Gäste ist der Keller das einzige Dach über dem Kopf. Sie leben und schlafen zwischen Theke und Bierkasten. 1962 änderten sich die Kostüme. Die allgegenwärtigen Wollmäntel und -hüte der Vergangenheit wurden durch die heutige Freizeitmode ersetzt. Aber 50 Jahre später sind die Gesichter derjenigen, die hier das letzte Mal getrunken haben, immer noch dieselben.
Café Lehmitz, Schirmer/Mosel. neue Version. Text von Roger Anderson. 116 Seiten, 29,80
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Quelle: www.stern.de