Anhänger der Buchabenteuer des französischen Schriftstellers Jules Verne haben bei der Beschreibung der Rettungsaktion vor der Witwenverbrennung im Roman „In 80 Tagen um die Welt“ wohl alle geschaudert. Eine junge Frau soll mit ihrem toten Ehemann lebendig verbrannt werden. Was nach der Fantasie eines Autors klingen könnte, war jedoch grausame Realität vieler Frauen in Indien.
Witwenverbrennung
Dieser grausame Brauch wurde über Jahrhunderte nicht nur in Indien, sondern auch auf Bali und im Nepal praktiziert. Diese Tradition hatte mehrere Gründe: von wirtschaftlichen bis zu religiösen. Man geht davon aus, dass der Brauch darauf zurückgeht, dass früher Frauen von gefallenen Kriegern sich selbst verbrannt haben, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen.
Mit der Zeit wurde von den Frauen verlangt, dass sie ihren Männern in den Tod folgen. Nicht alle Frauen wollten aber ihren Männern ins Jenseits folgen. Die meisten wurden zu diesem schrecklichen Brauchvollzug gezwungen. Damit die Frauen nicht davon laufen konnten, wurden sie an die Leiche ihres Mannes gebunden und von anderen Männern bewacht, weil die Armen bis zuletzt versucht haben, dem Feuertod zu entkommen.
Der Brauch die Frau mit dem Mann zu verbrennen gab es nicht nur in Indien. Bereits in der Antike und auch bei slawischen Völker hatte es diese Tradition wohl gegeben. In alten Schriften finden sich auch Nachweise dafür, dass nach dem Tod des Hausherren nicht nur seine Frau, sondern oft auch seine Diener und sogar das Vieh lebendig begraben wurden.
Isolation während Periode
Seit 2005 ist in Nepal der Brauch verboten, Frauen und Mädchen während ihrer Periode zu isolieren. Dennoch wird diese veraltete Tradition mancherorts weiter praktiziert. Dazu werden Frauen und Mädchen während ihrer Menstruation fortgeschickt und müssen die Zeit allein und von der Gesellschaft isoliert überbrücken. Ein großes Aufsehen erregte nun ein Vorfall, der sich kürzlich ereignet hatte: Eine 15-Jährige starb in einer kleinen Hütte, in der sie aufgrund ihrer Periode eingesperrt worden war. Das Mädchen erstickte. Obwohl Tausende Frauen jedes Jahr unter dieser grausamen Tradition zu leiden haben und der Brauch auch noch ein Todesopfer forderte, lassen die Menschen in manchen Gegenden trotzdem nicht davon ab.
Mädchen unerwünscht
In Indien und China gibt es einen Überschuss an Männern in der Bevölkerung, denn Mädchen sind nicht gern erwünscht. Weibliche Föten werden abgetrieben. Wer sich eine Abtreibung nicht leisten kann und ein Mädchen zur Welt bringt, entscheidet sich zu einer drastischen Maßnahme: Der Säugling wird getötet. In vielen, vor allem, ärmlichen Gegenden, werden diese Gräueltaten nicht einmal verheimlicht oder versteckt. Die Mitmenschen haben dafür „Verständnis“ oder helfen sogar dabei, sich dem Kind zu entledigen.
Mädchen gelten als „wertlos“ und kosten der Familie mehr Geld als Jungen, daher sind sie unerwünscht. Viele Menschenrechtler und Organisationen bemühen sich um Aufklärung und versuchen die Frauen davon abzuhalten, ihre Kinder abzutreiben oder zu töten. Die Abtreibung der weiblichen Föten und Tötung der weiblichen Säuglinge führte zu einer demographischen Dysbalance, die so schnell wieder herzustellen ist.
Körperentstellung als Schönheitsideal
Andere Länder – andere Sitten: Und auch andere Schönheitsideale. Wer kennt nicht die winzigen Füße der chinesischen Frauen, auch Lotusfüße genannt? Dabei handelt es sich um eine grausame Praxis, die Füße zu verbinden, damit sie klein bleiben. Was als Schönheitsideal betrachtet wird, ist in der Realität eine Qual für die Betroffenen. Das feste Zubinden der Füße (manchmal auch mit Knochenbrechen verbunden) seit dem frühen Kindesalter führte nicht nur zu Deformationen, Fehlstellungen, Gehproblemen und Schmerzen, sondern nicht selten auch zum Tod, da die Füße sich entzündeten und zu schweren gesundheitlichen Komplikationen führten.
Der Brauch entstand um das Jahr 975 im kaiserlichen China. Jahrhunderte lang wurden die chinesischen Frauen mit dieser grausamen Tradition gequält. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in China eine Reihe von Reformen, die sich sehr stark an den Westen orientierten. Dabei wurde 1911 der Brauch der Lotusfüße verboten. Zwar wurde diese Tradition noch mancherorts weiter praktiziert, doch mit der Zeit ganz aufgegeben. Von den Frauen, die Lotusfüße haben, leben heute nur noch wenige.
Zwangsheirat und Genitalverstümmelung
Zwei Bräuche, die trotz zahlreicher Verbote nach wie vor praktiziert werden, sind die Zwangsheirat und die Genitalverstümmlung. Obwohl viele Länder, in denen diese grausame Traditionen gelebt werden, mittlerweile Verbote ausgesprochen und Gesetze erlassen haben, fallen nach wie vor viele Mädchen und Frauen diesen Praktiken zum Opfer.
Die Genitalverstümmelung oder auch als weibliche Beschneidung bekannt, wird vorrangig in afrikanischen Ländern praktiziert. Viele Frauen, die als Kinder Opfer von Genitalverstümmlung geworden sind, engagieren sich für die Aufklärung und rufen Initiativen ins Leben, um Mädchen und die nachkommenden Generationen vor diesen grauenhaften Traditionen zu schützen.
Von der Zwangsheirat sind meistens Mädchen und Frauen aus ärmlichen Verhältnissen betroffen. Sie werden als rechtlos betrachtet und oft für Geld an ihren zukünftigen Ehemann verkauft, damit die Familie an Geld kommt. Besonders schrecklich, dass nach wie vor viele Mädchen von der Zwangsheirat betroffen sind. Obwohl es nach außen oft behauptet wird, dass bis zur Volljährigkeit gewartet wird, müssen die jungen Bräute bereist im zarten Alter ins Haus ihres Ehemannes ziehen und den Männer als Frau mit all ihren Verpflichtungen – sexuelle Beziehung inklusive – zur Verfügung stehen. Menschen- und Frauenrechtsorganisationen kämpfen gegen die Zwangsverheiratung und versuchen auf die Misslage der Mädchen und Frauen hinzuweisen.
Aufklärung und Bildung
Die veralteten Traditionen treffen meist die Frauen und die Mädchen. Sie sind den starren Strukturen und grausamen Bräuchen oft ausgeliefert und wissen sich nicht zu verteidigen. Viele wehren sich auch nicht dagegen, weil sie es leider aus ihrer Umgebung nicht besser wissen und es als ihre Pflicht betrachten, den Traditionen nachzugeben. Daher appellieren Organisationen und Aktivisten mehr in Bildung und Aufklärung zu investieren: Nicht nur für Frauen und Mädchen, sondern auch für Männer.
Zum Glück entwickelt sich die Welt immer weiter und viele grausame Traditionen sterben einfach aus. Doch in manchen Ländern und Gesellschaften hält man leider an schrecklichen Bräuchen nach wie vor fest. Man kann diese Traditionen nur dann ausradieren, wenn man ihre Grausamkeit, und vor allem ihre absolute Nutzlosigkeit und den enormen Schaden für die Betroffenen deutlich macht.