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Gutachten kritisiert «Machtfülle» von Sternsinger-Chef Pilz

Ein Gutachten legt dem früheren Sternsinger-Präsidenten Winfried Pilz (1940-2019) Grenzüberschreitungen zur Last, hat aber keine Hinweise auf den Missbrauch von Kindern gefunden. Die «sexualbezogenen Grenzverletzungen» ereigneten sich demnach im Umgang mit erwachsenen männlichen Mitarbeitern und lagen «unterhalb der Schwelle der zivilen Strafgesetze». Das katholische Kindermissionswerk «Die Sternsinger», das die Untersuchung der Rechtsanwältin Bettina Janssen am Donnerstag in Aachen veröffentlichte, will das von Pilz verfasste Kirchenlied «Laudato si» aus Respekt vor Betroffenen von sexualisierter Gewalt künftig nicht mehr verwenden.

In ihrem 130 Seiten langen Gutachten schildert Janssen detailliert die außerordentliche «Machtfülle» des «Heiligen Wipi», wie Pilz mitunter genannt wurde. Diese Machtfülle erwuchs demnach nicht nur aus seinen Ämtern, sondern auch aus dem persönlichen Charisma des 1,90 Meter großen und 150 Kilo schweren Geistlichen, der in der katholischen Kirche als Star galt. Er habe frei und auf die Sekunde genau predigen können und dabei alle begeistert. Gleichzeitig sei er ein «Kumpeltyp» gewesen. All das habe zu einer Atmosphäre geführt, in der Pilz praktisch unangreifbar gewesen sei.

Während die Außenwelt den von 2000 bis 2010 amtierenden Sternsinger-Chef auf einen Sockel gehoben habe, hätten ihn seine direkten Mitarbeiter wesentlich kritischer gesehen. Sie litten unter seiner Distanzlosigkeit und der von ihm gesuchten körperlichen Nähe. Ehemalige Mitarbeiter schilderten Einladungen zu Saunabesuchen und Mittagsschlaf, Übernachtungen im Hotel mit gemeinsamem Bad und Wangenküsse. «Es war (…) ekelhaft, von ihm umarmt zu werden», heißt es an einer Stelle. «Das Gefühl, seinen Bart in meinem Gesicht zu spüren, und sein dicker Bauch, den er gegen meinen Körper presst» verursachen einem der Betroffenen bis heute «Ekel und Widerwillen». Das Gutachten wirft Pilz zudem vor, die ehrenamtliche Zusammenarbeit mit einem missbrauchsverdächtigen Pfarrer zu spät beendet zu haben.

Im vergangenen Jahr hatte das Erzbistum Köln mitgeteilt, dass Pilz verdächtigt werde, in den 70er Jahren einen schutzbedürftigen Erwachsenen sexuell missbraucht zu haben. Das Erzbistum appellierte daraufhin an andere mögliche Opfer, sich zu melden.

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