Mit einer wissenschaftlichen Tagung und einem Festakt sollte an diesem Mittwoch in Frankfurt der 90. Jahrestag der Kinder- und Jugend-Aliyah gefeiert werden, des größten jüdischen Kinderhilfswerks. Nach dem Hamas-Angriff auf Israel, hunderten Toten, Verschleppten und Verletzten ist die Tagung mit vor allem aus Israel stammenden Teilnehmern verschoben worden. «Niemand will jetzt seine Familie verlassen, um eine Tagung zu besuchen», sagte Pava Raibstein, die Frankfurter Geschäftsführerin des Hilfswerks, der Deutschen Presse-Agentur. Der Festakt am Mittwochabend soll dennoch stattfinden – «ganz bewusst und jetzt erst recht», betonte Raibstein. Dafür habe sich auch das israelische Generalkonsulat eingesetzt. «Aber er bekommt natürlich eine andere Färbung.»
Ursprünglich sollten Musikerinnen und Musiker des Philharmonischen Orchesters der Kinder- und Jugend-Aliyah Israel gemeinsam mit Mitgliedern der Orchesterakademie des hr-Sinfonieorchesters auftreten. Die israelischen Gäste konnten nun allerdings nicht die Reise nach Frankfurt antreten, sagte Raibstein, die vor 50 Jahren als 13-jähriges Mädchen in einem israelischen Kinderdorf den Yom-Kippur-Krieg erlebte. Damals habe der Zusammenhalt mit anderen Kindern und Jugendlichen Kraft gegeben, die Ereignisse durchzustehen.
Als Aliyah wird die Einwanderung jüdischer Menschen nach Israel bezeichnet. Die Kinder- und Jugend-Aliyah wurde im Januar 1933 gegründet, um jüdische Kinder vor dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland zu retten. Seit der Gründung betreute das Hilfswerk mehr als 512 000 Kinder und Jugendliche aus mehr als 80 Ländern: Überlebende des Holocaust, Kriegsverfolgte und Immigranten sowie bereits in Israel geborene Kinder aus benachteiligten Familien, aber auch Einwanderer der großen Immigrationsaktionen der äthiopischen Juden oder der Immigrationswelle aus der ehemaligen Sowjetunion.
Auch aus Deutschland haben Familien ihre Kinder in den vergangenen Jahren wieder nach Israel geschickt, weil sie angesichts wachsenden Antisemitismus in Europa um deren Sicherheit fürchteten, so Raibstein. Derzeit allerdings herrsche in den betroffenen Familien große Sorge angesichts der Lage in Israel.