Exotische Tiere besuchen Pflegeheime
In gemächlichem Tempo bewegt sich Thekla, die Tarantel, elegant über die Hand der 93-jährigen Anne Hauerwaas mit ihren haarigen Beinen. Diese ältere Dame hat ihren inneren Mut zusammengerufen. “Früher würde ich mein Bett meiden, wenn eine Spinne da war, aber diese hier ist ziemlich liebenswert”, teilt sie mit einem Lächeln, bevor der Tiertrainer André Weseloh die Tarantel behutsam zurücknimmt. Dieser 42-jährige Profi führt regelmäßig tiergestützte Therapie in Senioreneinrichtungen im Norden Deutschlands durch und benutzt Exotische Tiere. Derzeit bereichert er das Senioren- und Therapiezentrum in Barsbüttel, Schleswig-Holstein, nur wenige Kilometer außerhalb von Hamburg, mit einer Sammlung exotischer Kreaturen.
Dieter Berg, ein 81-Jähriger, bleibt ebenfalls gelassen und gibt seine Zustimmung, dass die Tarantel auf seinem Kopf Platz nehmen darf. “Es besteht kein Grund zur Sorge”, bemerkt er gelassen im Anschluss. Über 20 Bewohner sitzen in einem Kreis und sind gebannt, während Weseloh faszinierende Details über diese Tiere vermittelt. “Taranteln haben leider einen schlechten Ruf erlangt”, erläutert der Tiertrainer aus Drochtersen in Niedersachsen. Dennoch ist ihr Gift nicht stärker als das einer Wespe.
Exotische Tiere: Kakadu sorgt für Unterhaltung
Sammy, der Kakadu mit dem Schirm, sorgt für Unterhaltung, wenn er auf mehreren Schultern landet und fröhlich “Hallo” sagt. Gerda Hachmann bietet mutig ihren Hals an, damit Boa Constrictor Lilly ihn umschlingen kann. Die riesige, über zwei Meter lange Schlange streckt ihre gespaltene Zunge aus und gleitet elegant entlang der Arme der 95-Jährigen. Hachmanns Finger berühren das prächtige Tier, und sie stellt fest: “Es fühlt sich angenehm an, warm und geschmeidig.”
Interaktionen mit domestizierten Tieren wie Kaninchen und Katzen, die einige Bewohner einst als Haustiere geliebt haben, sind üblich, sagt Thomas Wessel, Leiter der Therapieeinrichtung. Begegnungen mit exotischen Tieren bieten jedoch eine einzigartige Erfahrung. “Der ‘Aha’-Moment ist deutlich intensiver. “Solche Begegnungen bringen Abwechslung in ihren manchmal eintönigen Alltag, besonders für diejenigen, die keine Familie mehr haben.”
Von Alpakas über Kaninchen bis hin zu Hühnern bieten Senioreneinrichtungen in ganz Deutschland nun Möglichkeiten, den Kontakt zu Tieren aufrechtzuerhalten. Dennoch gibt es laut dem BIVA Care Protection Association, einer bundesweiten Interessenvertretung für ältere Menschen und pflegebedürftige Menschen in Bonn, immer noch zu wenige solcher Programme. “Hygienebedenken behindern solche Initiativen oft”, bemerken sie. Dennoch überwiegen die positiven therapeutischen Vorteile diese Bedenken.
Papageien und Menschen sind froh
Der Tiertrainer Weseloh besitzt eine umfangreiche Sammlung von Hunderten von Tieren. Er wählt sorgfältig aus, welches Tier an solch einer Veranstaltung teilnehmen kann. “Wenn ein Tier kein Interesse zeigt, muss es nicht mitkommen. Manchmal gibt es unter den Papageien Streitereien darüber, wer zuerst in die Transportbox darf. “Im Laufe der Zeit haben sie erkannt, dass es eigentlich ziemlich cool ist, mitzukommen. Sie werden gestreichelt, liebkost und erhalten sogar Leckerlis.”
Die Anwesenheit von Emma, dem Stinktier, ruft viel Staunen hervor. Das Tier darf auf einer kleinen Decke neben der 90-jährigen Gisela Schneider ruhen, nachdem ihre Sitznachbarin anfangs skeptisch reagiert hatte. “Ich liebe Tiere”, erklärt Schneider, während sie das schwarz-weiße Fell streichelt. Sie nennt das sechs Monate alte Stinktier scherzhaft einen “Schmuser” und neckt den Tiertrainer: “Das nehmen Sie nicht wieder mit.”
Nach dem Kreisbesuch stattet Weseloh den Bewohnern in ihren Zimmern einen Besuch ab, insbesondere denen, die nicht hinausgehen können oder möchten. “Wir hören in diesen Momenten viel zu”, berichtet Weseloh. Oftmals dient ein Tier als Türöffner für Gespräche. “Was für ein bezauberndes Tier”, bemerkt Petra Delfs, als sie sich in ihrem Zimmer mit Bartagame Horst bekannt macht. Die Bewohner freuen sich bereits auf die Tiere, die Weseloh beim nächsten Besuch mitbringen wird.