Angesichts der weiter aufgeschobenen Entscheidung über die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine haben sich Politiker aus Ampel-Koalition und Opposition enttäuscht gezeigt. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FPD), sagte am Freitagabend im ZDF-«heute journal»: «Zumindest wäre ein Signal richtig gewesen, den Partnern schon mal grünes Licht zu geben.» Damit meinte sie den Wunsch von Ländern wie Polen, eigene Leopard-2 aus deutscher Produktion an die Ukraine zu liefern. Dazu benötigen sie allerdings eine Genehmigung aus Berlin.
«Die Geschichte schaut auf uns, und Deutschland hat leider gerade versagt», monierte Strack-Zimmermann. Die Kommunikation insbesondere von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in dieser Frage sei eine «Katastrophe», denn einerseits unterstütze Deutschland die Ukraine massiv, durch die ausbleibende Entscheidung bei den Kampfpanzern entstehe aber ein anderer Eindruck. Scholz bleibe Erklärungen dafür schuldig. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) liege wiederum aus ihrer Sicht «an der Kette», sagte Strack-Zimmermann. Sie sei sich allerdings sicher, dass die Leopard-2 am Ende an die Ukraine geliefert würden.
Ukraine-Konferenz in Ramstein
Trotz erheblichen Drucks aus der Ukraine und der sie unterstützenden Staaten hat die Bundesregierung noch keine Entscheidung über die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an Kiew getroffen. Gestern hatten sich die Verbündeten zu einer Ukraine-Konferenz in Ramstein getroffen, bei der weitere Milliardenhilfen für das von Russland überfallene Land vereinbart wurden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner am Freitagabend in Kiew verbreiteten allabendlichen Videobotschaft, er habe bei den Gesprächen in Ramstein viel Verständnis für die Erfordernisse seines Landes gehört. «Ja, wir werden noch kämpfen müssen um die Lieferung moderner Panzer, aber mit jedem Tag machen wir es noch offenkundiger, dass es keine Alternative gibt zu der Entscheidung für Panzer.»
Meinungen
Die Union befürchtet nun einen schweren außenpolitischen Schaden. «Deutschland hat der Ukraine und sich selbst für die künftige Position einen Bärendienst erwiesen», sagte der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter der «Augsburger Allgemeinen» (Samstag). «Das Ergebnis des Ramstein-Treffens ist für Deutschland leider eine weitere Isolierung», kritisierte Kiesewetter. Es mache ihn zudem sprachlos, dass erst der neue Verteidigungsminister eine Bestandsaufnahme der verfügbaren Leopard 1 und 2 in Bundeswehr- und Industriebeständen in Auftrag gegeben habe. «Es ist peinlich und erschreckend, dass Deutschland dies knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn offenbar erst einfällt.»
Der Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Robin Wagener (Grüne), sieht die von Pistorius angekündigte Maßnahme anders: «Dass der neue Verteidigungsminister endlich eine Inventur vornimmt, um zu prüfen, was wir weiter liefern können, ist ein später aber richtiger Schritt», teilte er mit. «Ich gehe davon aus, dass Deutschland auf dieser Grundlage schnell seinen Impuls zur abgestimmten Lieferung von Kampfpanzern geben wird.»
Die deutschen Grünen im Europaparlament äußerten sich wesentlich kritischer: «Bundeskanzler Scholz vergrätzt mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber europäischen Initiativen zur Lieferung von Leopard-Panzern unsere europäischen Partner», sagte der Sprecher der deutschen Gruppe, Rasmus Andresen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag).
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, es sei bei dem Thema wichtig, im Gleichklang mit den USA zu handeln. «Es kommt darauf an, dass wir wichtige Schritte immer gemeinsam gehen», sagte Mützenich der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Samstag), «Gemeinsam heißt: auch und vor allem mit den USA. Die Lieferung von Kampfpanzern ist so ein Schritt.»
Zuletzt hatte es Berichte gegeben, wonach Scholz die Lieferung des US-Kampfpanzers vom Typ Abrams zur Bedingung für eine mögliche Entsendung deutscher Kampfpanzer gemacht habe. Pistorius hatte jedoch auch nach Aussage von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin klargemacht, dass es einen solchen Zusammenhang nicht gebe.