Brauchtum - "Ein Fest der Liebe"? Warum gibt es an Weihnachten so viele Streitereien?
Familien versammeln sich in Harmonie um den festlich geschmückten Weihnachtsbaum, singen Weihnachtslieder und setzen sich dann alle an den reich gedeckten Tisch, um gemeinsam zu essen - heutzutage sind die ständigen Filme und Lieder voll von Klischees über "Festivus.Liebe". Das schürt Erwartungen, die aus psychologischer Sicht darauf zurückzuführen sind, dass die Realität oft anders ist als die Wirklichkeit.
Christine Backhaus, Psychologin aus Frankfurt, sagt: "Wir verbinden Weihnachten immer noch mit Stille, heiligen Nächten, roten Wangen und Lebkuchen, wo sich alle lieb haben." Eigentlich weiß man genau, was schiefgehen kann, wenn man mit seiner Familie feiert. Vieles staut sich auf, und Weihnachten kann wie ein Brennglas wirken.
Schaffen Sie Ihre eigene Vision
Viele von Ihnen kennen das: Sie fahren als Erwachsener zu Ihren Eltern und schon einen Tag später liegen die Nerven blank. Oder die Eltern kommen zu Besuch und schon gibt es Streit. Der Grund dafür ist, wie die Hamburger Psychologin Susanne Schmal erklärt, dass in der Kindheit erworbene Muster wieder aufbrechen.
"Diese Muster sind tief in uns verankert, wie ein Autopilot. Wenn wir Weihnachten feiern und unsere Eltern zu Besuch kommen, läuft es am ersten Tag vielleicht noch harmonisch. Aber am zweiten oder dritten Tag geht es manchmal schief", sagt Schmal. Plötzlich ist man nicht mehr eine erwachsene Frau, sondern ein kleines Mädchen. Und die Eltern fallen wieder in ihre Muster zurück. "Dann gibt es Streit, weil ich denke, mein Vater wollte immer, dass ich etwas leiste, oder meine Mutter wollte immer, dass das Haus sauber ist, und jetzt läuft sie herum und kontrolliert alles."
Um dies zu vermeiden und ein entspannteres Fest zu feiern, schlägt Schmal vor, die Vorstellungen der Familie im Vorfeld zu besprechen. Wann soll der Baum geschmückt werden, wie sollen die Geschenke verteilt werden, und brauchen Sie wirklich ein aufwendiges Menü, das den Koch nervös macht? Es geht darum, über die üblichen Klischees hinauszugehen und seine eigenen Ideale zu schaffen.
Offener Dialog ist wichtig
Der Frankfurter Psychologe Barkhaus sagt, es lohne sich, offen zu reden, auch mit älteren Eltern: "Wenn man es nicht als Vorwurf formuliert, sondern sagt, was man gut findet, wird das meist begrüßt." Eine Möglichkeit, im Falle eines Streits einzugreifen, besteht darin, dass sich die Familie auf einen "Joker" oder ein "Pausenzeichen" einigt, das dann auf den Tisch gelegt wird, bevor das Drama beginnt. Wenn sich die Situation beruhigt hat, kann das Gespräch wieder aufgenommen werden. Barkhouse sagt, dass in der Paartherapie sehr gute Erfahrungen in diesem Bereich gemacht wurden.
Der Psychologe schlägt vor, darüber nachzudenken, welche eigenen Bedürfnisse in einer solchen Nacht vergessen werden. "Ich brauche mehr Ruhe, ich muss mir die Beine vertreten, ich brauche mehr Freiraum?" Barkhouse nennt Beispiele. Dann muss man den Mut haben, das Thema anzusprechen - und andere fragen, was sie brauchen. So kann man sich darüber austauschen, welche Rituale allen Spaß machen und welche Veränderungen sinnvoll sind.
Es lohnt sich, sagt der Hamburger Psychologe Schmal, Reizthemen im Vorfeld zu identifizieren und sich zu fragen, was einem in dem Moment hilft, sich zu entspannen - zum Beispiel fünfmal tief durchzuatmen. Oder man stellt im Vorfeld Regeln auf, zum Beispiel: "Mama, über dieses Thema will ich an Weihnachten nicht reden."
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Quelle: www.stern.de