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"Die Städte werden immer noch so gebaut wie in den 50ern".

Bäume können im brennenden Sonnenschein Leben retten.
Bäume können im brennenden Sonnenschein Leben retten.

"Die Städte werden immer noch so gebaut wie in den 50ern".

An heißen Sommertagen erhitzen sich Straßen, Parkplätze und andere asphaltierte Flächen so stark, dass sie eine Gesundheitsgefahr darstellen. Krankenkassen melden vermehrt Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen und leider auch mehr hitzebedingte Todesfälle. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat daher 190 deutsche Städte einer "Hitzprüfung" unterzogen und einen besorgniserregenden Bericht im "Klima-Labor" von ntv veröffentlicht: "Über 50 Hektar werden täglich versiegelt", sagt die Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Es geht nicht nur darum, dass grüne Flächen weiter verschwinden. Viele Städte wissen nicht einmal, wie groß das Problem in ihrem eigenen Hinterhof ist. "Das ist inakzeptabel", sagt Metz. Sie fordert klare, rechtlich verbindliche Vorgaben von der Bundesregierung für die Entsiegelung und schlägt unter anderem vor, Parkplätze aus der City an den Stadtrand zu verlegen, um Platz für Bäume zu schaffen.

ntv.de: Wie groß ist das Problem "Hitze in Städten"?

Barbara Metz: Es ist groß und bekannt. In Deutschland sprechen wir schon lange über die Übersiegelung von Flächen. In unserer Studie haben wir Städten mit einer Versiegelungsquote über 50 Prozent eine rote Karte gegeben, jenen zwischen 45 und 50 Prozent eine gelbe und jenen unter 45 Prozent eine grüne. Sogar mit dieser großzügigen Bewertung mussten wir viele gelbe und rote Karten verteilen. Sogar in gelben Städten ist die Versiegelung schon zu weit fortgeschritten und muss sofort gestoppt werden, weil das Leben in diesen Städten gesundheitsschädlich ist. Krankenkassen melden auch einen Anstieg von Krankheiten, wenn Städte zu heiß werden. Es braucht mehr grüne Flächen.**

Was bedeutet "versiegelt"? Sind das nur Straßen?

Nicht ganz. Versiegelt bedeutet alles, was überbaut wird. Das können Straßen sein, aber auch Gebäude und Parkplätze. Der korrekte Begriff ist Verkehrs- und Siedlungsflächen. Alles, wo Wasser nicht einsickern kann, meist Asphalt oder Beton. Diese Oberflächen erhitzen sich sehr stark.**

Weil die Sonne den ganzen Tag darauf scheint?

Genau. Für uns Menschen ist die wahrgenommene Temperatur entscheidend, deshalb wird sie auch im Wetterbericht diskutiert: Wenn die Lufttemperatur 30 Grad Celsius erreicht, kann eine Asphaltfläche auf über 50 Grad erhitzen. Diese Hitze strahlt bis in den Abend oder die Nacht. Daher sind Städte viel heißer als Wiesen oder Wälder.**

Sie sind das Gegenteil von versiegelten Flächen? Grüne Bereiche wie Parks oder sogar Alleen fühlen sich in Städten kühler an?

Wenn es richtig heiß ist, wo würden Sie lieber stehen? In der direkten Sonne, unter einem Sonnenschirm oder unter einem Baum? Die meisten Menschen würdenprobably choose the tree. Therefore, avenues, old tree stands, and parks are crucial for our well-being in cities. We also need roof greenery, facade greenery, and green spaces that provide shade.**

Most sealed surfaces have been created because there was a need. People drive to work by car, people need a residential building to live in. Especially in cities like Berlin, there is a great housing shortage, rents are rising. Now de-sealing surfaces, that doesn't work, does it?

Yes, we live in a built environment. Especially in the 1950s and 1960s, when Germany was being rebuilt, there was no awareness of this issue. Sometimes, this is still the case today. We act as if we have endless space. However, affordable housing can also be created in existing buildings. Studies show this potential. We are not demanding that no more buildings should be constructed. But one can build less, space-efficiently, and consider where: Should I build into a floodplain where animals live, where there is shrubbery and plenty of green, or on an area that is not as highly valued for nature conservation or even wasteland? And then, one must de-seal elsewhere. Schoolyards are a great example: There are 32,000 schools in Germany, and many schoolyards are completely paved. These areas can be greened. This would be a win-win situation, also for the children.

"De-sealing" also means streets and parking lots.

If a street is not needed, it should be dismantled. This cannot be answered in general terms. Each city must look at its own situation. If it finds that de-sealing is necessary, it must decide where green can be brought in sensibly. This can be roofs, facades, or schoolyards. Fewer parking spaces are also a good idea to reduce individual traffic and the number of parked cars. Especially in cities like Berlin, there are many parking opportunities directly in front of residential buildings. Why not offer parking spaces outside the cities instead? Supermarket parking lots can also be partially dismantled.

Many car drivers in Berlin are already complaining that they can't find a parking spot. If you reduce the number of parking spaces, you will trigger a new wave of protests.

It may disturb some people, but many vehicles are moved little and block parking spaces. These cars can be parked outside and free up space for people who rely on cars. This development is needed, but of course not without the appropriate offer. You can't just take away the parking space from people. But I am sure that many people in their daily lives would appreciate fewer cars and a bit more green in front of their own door. This is also shown by our heat check: The interest is huge, the topic moves people because they realize how unpleasant the situation in the cities has become.**

You mentioned heat, which is harmful to health. Especially when a city heats up over several days. Has this been investigated?

Ich habe keine spezifischen Zahlen, aber wir arbeiten mit Krankenkassen zusammen. Sie stellen fest, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Durchblutungsstörungen, Kopfschmerzen und psychische Erkrankungen an heißen Tagen signifikant zunehmen - und natürlich nimmt auch die Anzahl der hitzebedingten Todesfälle zu. Daher sind auch die Krankenkassen für die Entversiegelung. Grüne Oasen in der Stadt, an denen man sich im Schatten aufhalten kann, reduzieren die Gesundheitkosten. Besonders für Ältere oder für Familien mit kleinen Kindern, die nicht so mobil sind oder nicht ins Grüne fahren können.

In Ihrer Studie haben Sie auch das Grünvolumen der Städte betrachtet. Wie definieren Sie eine "grüne Oase"?

Das Grünvolumen ist der Kubikmeter pro Quadratmeter: Wie viel Grün sich auf einem Quadratmeter befindet. Zwei Kubikmeter Grün pro Quadratmeter bekommen eine rote Karte, zwischen zwei und vier eine gelbe Karte, und alles über vier eine grüne Karte.

Rasenflächen schneiden schlecht ab, obwohl sie grün sind.

Ja, stimmt. Sie werden immer noch als Grünflächen registriert, aber natürlich ist ein Baum mit großem Volumen und viel Blattgrün ein besserer Schattengeber als Kunstrasen.

84 von 190 Städten haben eine grüne Karte erhalten. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Ergebnis?

Gut, weil es bedeutet, dass nicht alles versiegelt ist. Das wäre besorgniserregend. Es gibt Städte mit ausreichend Grünfläche. Allerdings zeigt die Rangliste, dass wir umsteuern müssen, denn mehr als 50 Hektar werden noch täglich versiegelt. Das ist zu viel. Die Politik hat dies auch erkannt: Bis 2030 soll die Versiegelungsrate auf 30 Hektar pro Tag reduziert werden. Bis 2050 will die Bundesregierung den Nettoausgleich erreichen. Allerdings spiegelt sich dieser Trend nicht in den aktuellen Zahlen wider. Wie soll dieses Ziel ohne Maßnahmen erreicht werden? Und warum so spät? Wie viele Flächen werden bis dahin noch versiegelt? Man muss bedenken, dass es Geld kostet, diese Flächen später wieder zu entversiegeln; es kostet Geld, die gesundheitlichen Folgen zu bezahlen. Städte, die von uns eine rote oder gelbe Karte erhalten haben, müssen sofort mit der Versiegelung aufhören und damit beginnen, wieder zu entversiegeln.

Detmold, Ratingen, Potsdam und Jena sind vorn dabei. Was schließen Sie daraus? Wird dort angemessene Politik betrieben? Verlangen die Menschen Grünflächen?

Das kann nicht parteiübergreifend zugeschrieben werden. Es gibt gute und schlechte Beispiele überall. Menschen können in vielen Orten auch wenig ausrichten. Bürgerinitiativen können sich gegen den Bau von etwas stellen, aber nicht gegen die Versiegelung. Es gibt keine rechtlich bindende Grundlage. Das ist unsere Kritik: Städte müssen auch wissen, was und wie viel sie versiegeln dürfen. Wir waren sogar überrascht, aber es gab viele Briefe von Städten und Gemeinden, die sagten, dass sie endlich wissen, wo sie stehen. Das ist absurd. Diese Daten müssen gesammelt und bereitgestellt werden. Stadtplaner brauchen eine Orientierung darüber, worauf sie achten müssen.

Haben Sie nicht gesagt, dass die Politik das Problem bereits erkannt hat?

Der Bundesminister für Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung hat vergangene Woche eine Hitzeschutzstrategie veröffentlicht, in der steht: Wir brauchen mehr Grün in unseren Städten. Es gibt auch finanzielle Unterstützung für Gemeinden, die sich um Hitzeschutzmaßnahmen bewerben können. Das ist nicht falsch, aber dieser Anreiz allein wird nicht ausreichen. Es muss eine rechtliche Bindung geben, damit klar ist: So viel Grünfläche muss vorhanden sein. Wenn hier versiegelt wird, muss anderswo wieder entsiegelt werden.

Das funktioniert? Die Bauindustrie beschwert sich jetzt schon über die vielen Regelungen, die beachtet werden müssen. Deswegen wird почти nichts gebaut. Wenn es mehr Anforderungen gibt...

Das funktioniert. Unser Baurecht ist completely overloaded und sollte definitiv überarbeitet werden. Deswegen setzen wir uns auch für einfaches Bauen ein. Ich akzeptiere jedoch nicht, dass Bürokratie das Argument ist, um zu sagen, dass wir leider nicht entsiegeln können.

Barbara Metz hat mit Christian Herrmann gesprochen. Das Gespräch wurde redaktionell bearbeitet und geglättet. Das vollständige Gespräch kann im Podcast "Climate Lab" gehört werden.

Trotz des Wohnungsmangels und des steigenden Bedarfs an Parkplätzen schlägt Barbara Metz vor, Parkplätze aus dem Stadtzentrum an den Rand zu verlegen, um Platz für mehr Bäume zu schaffen.

Die Studie der Deutschen Umwelthilfe zeigt, dass Grünflächen in vielen Städten weiterhin verloren gehen und viele nicht einmal das volle Ausmaß des Problems in ihrer eigenen Umgebung verstehen.

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