Für den Friedensnobelpreisträger und berühmten russischen Journalisten Dmitri Muratow gibt es in seiner Heimat weder Presse- noch Meinungsfreiheit. „Die Geschichte des unabhängigen Journalismus ist vorbei, vorbei“, sagte der 61-Jährige am Montag zum Auftakt der ersten Hamburger Woche der Pressefreiheit in der Hansestadt. Das machte der Chefredakteur der in Russland verbotenen Nowaja Gaseta in einem Interview mit Ingo Zamperoni vom NDR deutlich. Da er immer noch in Moskau lebt und dorthin zurückkehren wird, kann er in Hamburg nur das sagen, was er in der russischen Hauptstadt sagen kann – und betonte: „Zu Moskau kann ich nichts mehr sagen.“
Murato Der Ehemann forderte den Kreml auf, den Fall der Nowaja Gaseta-Reporterin Jelena Milashina und des Anwalts Alexander Nemov aufzuklären, die Anfang Juli in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entführt und gefoltert wurden. „Kremlbeamte haben versprochen, dass der Staat dieses Verbrechen untersuchen wird“, sagte Muratow und zeigte ein Foto einer schwer verletzten Milashina. Seit dem Anschlag sind mehr als neun Wochen vergangen, doch noch immer gibt es keine Ergebnisse – etwa zur Frage, warum während des Anschlags alle Überwachungskameras ausgeschaltet waren.
Der Westen ist auch mitverantwortlich für die instabile Situation der Pressefreiheit in Russland. Aus Mulattos Sicht lautete die Frage seit Jahren: „Braucht Deutschland Gas oder braucht Russland eine freie Presse?“ Aus realpolitischer Sicht lautete die Antwort seit 20 Jahren: Gas. In Russland seien Öl und Gas wichtig, fuhr er fort, „Menschenrechte jedoch nicht.“
Muratov wurde 2021 für seinen mutigen Kampf für die Meinungsfreiheit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Anfang September bezeichnete Moskau ihn als „ausländischen Agenten“, als es sein Vorgehen gegen Kremlkritiker verschärfte. Die russische Justiz hat das vielfach kritisierte Etikett an Einzelpersonen und Organisationen vergeben. Viele kämpfen dann um ihr Überleben, da beispielsweise Unterstützer, Geschäftspartner und Einkommen verschwinden.