Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron haben nach der ersten gemeinsamen Kabinettsklausur die Bedeutung der Freundschaft beider Länder für Europa betont. «Frankreich und Deutschland sind ein ganz wichtiges Paar für Europa», sagte Scholz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Hamburg.
Bei Streitthemen wie der Reform des europäischen Strommarkts oder der Rüstungspolitik gab es aber keine sichtbaren Fortschritte. Überschattet wurde das Treffen vom Angriff der islamistischen Hamas auf Israel mit vielen hundert Toten. Und auch die Wahlschlappe der Ampel-Regierung in Bayern und Hessen verfolgte den Kanzler in seine Heimatstadt.
Macron: «Wir sind nicht gleich, umso besser»
Deutsch-französische Kabinettssitzungen gibt es schon lange und regelmäßig. Dass beide Regierungen sich zwei Tage zusammen zurückziehen, um sich über Themen wie Künstliche Intelligenz, gesellschaftlichen Zusammenhalt oder industriellen Wandel zu unterhalten, ist aber etwas Neues. Das Hauptziel des Treffens war es, nach vielen Konflikten im vergangenen Jahr zu demonstrieren, dass der vielbeschworene deutsch-französische Motor Europas noch läuft und die Freundschaft beider Länder unverbrüchlich ist.
«Wir sind nicht gleich, umso besser, denn das ist unsere Kraft, das ist das eigentliche Herz der europäischen Vitalität», spielte Macron bei der Pressekonferenz die Differenzen herunter. Es müssten immer wieder neue Kooperationswege gefunden werden, um Dinge voranzubringen. Die Beziehungen müssten neu erfunden werden. «Europa muss unser Motor sein, während wir gleichzeitig sein Motor sind.»
Annäherung mit Bismarckhering und Elbaal
Scholz hatte Macron schon vor einigen Wochen nach Potsdam zu einem Abendessen fußläufig von seiner dortigen Wohnung eingeladen, um das persönliche Verhältnis zu Macron zu verbessern. Den beiden wird nachgesagt, dass die Chemie zwischen ihnen nicht so richtig stimmt, anders als bei Macron und Scholz’ Vorgängerin Angela Merkel (CDU).
Jetzt also Hamburg, die Heimatstadt des Kanzlers, eine weitere Auflockerungsübung in den deutsch-französischen Beziehungen. Nach einer Werksbesichtigung bei Airbus und einer Hafenrundfahrt am Montag gab es am Dienstag dann auch noch einen Spaziergang im Stadtteil Blankenese inklusive Verköstigung einer Hamburger Spezialität: Fischbrötchen mit Elbaal und Bismarckhering.
Einigung bei Strommarkt-Reform bis Endes Monats angestrebt
Konfliktlösungen hatten die beiden am Ende aber nicht anzubieten. Beim Streit der EU-Länder um eine Strommarktreform und das Bereitstellen von günstigem Industriestrom kündigte Macron immerhin eine Einigung noch in diesem Monat an. Die Herausforderung sei es, die Wirtschaft klimaneutral aufzustellen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben angesichts der USA, die geringere Energiepreise hätten und weniger abhängig seien.
Scholz betonte, beim Klimaschutzziel seien sich Frankreich und Deutschland einig, auch wenn die Wege unterschiedlich seien. «Das ist aber kein Anlass für Gegensätze, sondern einfach eine unterschiedliche Entscheidung.» Frankreich will den Preis für seinen Atomstrom notfalls selber festsetzen, um seine Industrie und Bevölkerung mit preisgünstiger Energie zu versorgen. Deutschland wiederum diskutiert über einen staatlich subventionierten Industriestrompreis, den aber auch Scholz skeptisch sieht.
Angriff auf Israel und Rechtsruck drücken auf die Stimmung
Scholz und Macron bekräftigten am Dienstag noch einmal ihre Solidaritätsbekundungen an Israel nach dem Terrorangriff der Hamas. «Dass Israel sich verteidigen muss, ist offensichtlich, dass es dabei unsere Unterstützung hat, auch», sagte Scholz. Macron äußerte die Hoffnung, dass es in den nächsten Tagen gelingen werde, «alle Attacken gegen israelisches Gebiet zu beenden, die Geiseln zu befreien und die Situation zu klären.» Ziel sei danach ein dauerhafter Frieden in der Region.
Die Stimmung des Kanzlers wurde aber auch noch durch ein anderes Ereignis vom Wochenende beeinträchtigt: durch den Rechtsruck bei den Wahlen in Hessen und Bayern und das Desaster für die drei Ampel-Parteien. Am Sonntagabend und Montag hatte Scholz dazu geschwiegen. Auf der Pressekonferenz mit Macron wurde er erstmals vor laufenden Kameras dazu gefragt. «Die Stimmen, die auf eine rechtspopulistische Partei in Deutschland entfallen sind, müssen uns besorgen», sagte er. Und dann fügte er noch hinzu: «Es geht schon um die Verteidigung der Demokratie.»
Migration: Die nächsten Schritte werden folgen
Gemeint sind die massiven Gewinne der AfD, die in Hessen zweitstärkste Kraft hinter der CDU und in Bayern drittstärkste Kraft hinter der CSU und den Freien Wählern wurde. Sie ist damit nun auch im Westen des Landes ein Massenphänomen. Die Kanzlerpartei SPD hatte dagegen in beiden Ländern ihre bisher schlechtesten Wahlergebnisse eingefahren. Auch die anderen beiden Ampel-Parteien FDP und Grüne haben Stimmen verloren.
Auf die Frage, ob er als Konsequenz einen Kurswechsel in der Migrationspolitik plane, sagte Scholz nur. «Probleme, die auf der Hand liegen, muss man angehen.» Das habe aber nichts mit Wahltagen zu tun. Er zählte auf, was die Ampel-Regierung jetzt schon zur Eindämmung irregulärer Migration und gleichzeitig für die Anwerbung von Fachkräften tue. «Die nächsten Schritte werden auch weiter erfolgen.»