Der deutschen Wirtschaft stehen laut führenden Ökonomen Jahre mit schwachem Wachstum bevor. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen und das ifo Institut in München gehen alle von einer geringeren jährlichen Wachstumsrate aus als der mittelfristige Anteil sein wird Ja – also deutlich unter dem Durchschnitt der letzten drei Jahrzehnte.
DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte: „Deutschlands Wirtschaftswachstum dürfte in diesem Jahrzehnt deutlich schwächer ausfallen als in den 2010er Jahren, als es wirtschaftlich erfolgreich hätte sein sollen.
Fratzscher: Das Wachstumspotenzial könnte weiter sinken
Ihm zufolge könnte das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft in diesem Jahrzehnt unter 1,0 % fallen. Fratzscher sagte, dies liege vor allem an dem demografisch bedingten Beschäftigungsrückgang und Fachkräftemangel. „Wenn ein langsamer Übergang zu einer Deindustrialisierung führt, könnte das Wachstumspotenzial noch weiter sinken.“
Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren vier große wirtschaftspolitische Fehler gemacht. Als größten Misserfolg kritisierte der DIW-Präsident „die bisher gescheiterte Ökowende, die dazu führt, dass Deutschland zu sehr von fossilen und sehr teuren Energieimporten abhängig ist und die Technologiewende hin zu nachhaltigen und innovativen Technologien vernachlässigt“.
Zweitens haben zu viel Bürokratie und Eigeninteressen private Investitionen behindert. „Der dritte Fehler ist das staatliche Investitionsdefizit, womit die Bundesregierung lange von Substanz gelebt hat.“ Als Grund nannte Fratzscher ein sich verschlechterndes Bildungssystem und eine unzureichende Infrastruktur. Das Fachkräfteproblem, die viertgrößte Schwachstelle, wird sich laut Fratzscher in den kommenden Jahren weiter verschärfen und für viele Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen.
Kooths: Noch nicht das Ende
Beim IfW Kiel sagte Vizepräsident Stefan Kooths: „In den vergangenen drei Jahrzehnten sind wir durchschnittlich um 1,4 Prozent pro Jahr gewachsen.“ Die Mittelfristprognose des IfW zeigt einen Rückgang auf unter 0,7 Prozent bis 2027.
„Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange“, sagte Kuss. „Das bedeutet, dass das, was wir in den letzten Jahrzehnten gewohnt waren, in relativ kurzer Zeit um ein Drittel schrumpfen wird.“ Der Grund ist die demografische Entwicklung.“ Alte Gesellschaften können sich oft weniger gut an neue Technologien anpassen. “Das könnte einen weiteren Abschlag auf die Produktivitätsentwicklung bedeuten.”
Zudem rechnet Kooths damit, dass der Umstieg auf eine klimaneutrale Energieversorgung Unternehmen viel Geld kosten wird. So sei selbst eine explizite Revision der Wachstumszahl „nur eine obere Schätzung“. Auch Deutschland sei „in einen schweren Verteilungskonflikt geraten, da die Babyboomer in den Ruhestand gehen“, sagte Kooths.
Ganz ähnlich sieht die Einschätzung des RWI Essen aus: „Die Krise der vergangenen zwei Jahre hat das Wachstum der deutschen Wirtschaft geschwächt, aber es wird in den nächsten Jahren ohnehin zurückgehen“, sagte Wirtschaftsvorstand Torsten Schmidt.
Schmidt: Der Hauptgrund ist der Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials
Das Wachstum des Produktionspotenzials könnte laut der Mittelfristprognose des RWI von 1 Prozent in diesem Jahr auf 0,6 Prozent im Jahr 2027 sinken. „Die erwartete Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts kann entsprechend niedriger ausfallen“, sagte Schmidt. „Hauptgrund ist der Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials.“ Schmidt verwies auch auf die hohen Kosten des Abschieds von fossilen Energieträgern: „Wir glauben aber auch, dass der zur Erreichung der klimapolitischen Ziele notwendige Umbau des Kapitalstocks das Wachstum hemmen wird Produktionspotential.”
Unter normalen Umständen rechnet das Münchner Ifo-Institut bis zum Ende des Jahrzehnts mit einem Wachstum der deutschen Wirtschaftsleistung zwischen 0,5 % und 25 %. „Auch ohne die diversen Krisen stünde die deutsche Wirtschaft auf einem langsameren oder schwächeren Wachstumspfad“, sagte ifo-Konjunkturforscher Robert Lehmann.
Lehmann: Die Digitalisierung hat einiges entlastet
Die Babyboomer ziehen sich aus dem Erwerbsleben zurück. Da immer weniger Menschen ins Erwerbsleben eintreten, können ältere Menschen ihren Ruhestand nicht mehr kompensieren. „Damit wird sich der bereits zu beobachtende Fachkräftemangel in den kommenden Jahren weiter verschärfen.“ Als zusätzliche Hürde sieht Lehman teure Energie.
Wirtschaftsforscher wollen es nicht verdunkeln: Die Corona-Pandemie kann auch Chancen bieten oder bereits wachsen. Als Beispiel nennt Lehman die beschleunigte Digitalisierung, „die den demografischen Wandel zumindest teilweise entlasten kann“.
Auch der demografische Wandel und ein langsameres Wachstum könnten die Inflation befeuern, so Lehmann: „In der Übergangszeit, wenn die Babyboomer in Rente gehen, bleiben die Verbraucher und ihre Kauflaune zunächst recht stabil , Produktionsmöglichkeiten und Wirtschaftswachstum wären geringer. „Beides könnte mittelfristig zu starken Preissteigerungen führen.“