Das Geschrei um die täglichen Brotwaren
Gegen den Trend der Kettenbäckereien und industriell hergestellten Brote sind kleine, handwerkliche Bäckereien entstanden, in denen man beim Kneten des Teiges zusehen und die Zutaten fürs Frühstück verstehen kann.
An einem feuchten Sommermorgen trudeln die ersten Kunden in die "Backwelt", stöbern an den Regalen mit Backutensilien und Literatur oder füllen verschiedene Mehlsorten aus Großbehältern auf. Zwei Gruppen von Damen plaudern an rustikalen Tischen, die mit Wildblumensträußen geschmückt sind, beim Frühstück. Die chillige Atmosphäre wird durch Billie Eilishs "Bad Guy", der im Hintergrund leise spielt, verstärkt, während eine fröhliche Mitarbeiterin dampfenden Kaffee und einen frischen Erdbeerschaumkuchen serviert - eine tägliche Kreation von Inhaberin Christina Bauer. Die österreichische Bloggerin, Autorin und Farmerin ist die treibende Kraft hinter "Baking with Christina", hat mehrere Kochbücher veröffentlicht und betreibt einen Bauernhof in Lungau mit ihrem Mann.
Christinas Liebe zum Backen und Rezeptentwicklung ist evident. Vor ein paar Jahren begann sie, für die Besucher des Bauernhofes morgens Brötchen zu backen, was sich schließlich zu einem florierenden Nebengeschäft entwickelte. Sie begann Backkurse in ihrer eigenen Küche zu geben und eröffnete 2021 die "Backwelt" in ihrer Heimatstadt Tamsweg, die Café, Bäckerei und Shop kombiniert. Der gemütliche Duft von süßen Backwaren liegt in der Luft, die Erdbeerfüllung schmilzt auf der Zunge und ein zufriedenes Lächeln umspielt Christina Bauers Gesicht.
Sie sieht eine beruhigende, einladende Atmosphäre vor. Die 37-jährige Frau schiebt eine blonde Strähne beiseite und erklärt: "Dies ist ein Ort, an dem sich die Menschen wohlfühlen und es keinen Stress gibt. Jeder hat Zeit und ist gerne bereit, mehr über das Backen zu erfahren."
Christina Bauer begrüßt regelmäßig Besucher aus ganz Österreich und Deutschland bei geführten Touren. Die Veranstaltungen sind immer ausgebucht, sagt sie, und die Teilnehmer nehmen begeistert an Backkursen in der großen Küche teil und genießen die leckeren Produkte direkt aus dem Ofen. Herzhafte Frühstücksoptionen wie ein Brioche-Brötchen, Konfitüre und Käse stammen von lokalen Bauern und Lieferanten in Lungau. "Wir verwenden fast ausschließlich regionale Zutaten. Dann weiß ich genau, was drin ist", erklärt Christina Bauer. "Sogar das unverpackte Mehl, das wir verkaufen, stammt aus österreichischem Getreide."
Liesbeth, Till und Sofi
Das Konzept, Kunden beim Kneten zuzusehen, ist sehr gefragt. Die Wertschätzung für frisch gebackene Ware ist hoch. Österreich, insbesondere Deutschland, ist bekannt für seine vielfältige Brotauswahl: Mit rund 3200 registrierten Sorten erklärte die UNESCO die deutsche Brotkultur 2014 zum immateriellen Kulturerbe. Vollkornbrot ist sehr beliebt. Viele Europäer sehnen sich nach der knusprigen Kruste, die in Ländern, die principalmente white bread verehren, Mangelware ist. Schon 1941 klagte Bertolt Brecht in seinem Tagebuch während seines Exils in den USA: "Es gibt kein richtiges Brot in den Staaten, und ich liebe Brot."
Unsere Brotverkäufer haben sich verändert. Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks ist die Zahl der handwerklichen Bäckereien in Deutschland in den letzten 60 Jahren von etwa 55.000 auf 9.607 Betriebe gesunken, die 45.000 Verkaufsstellen in Deutschland bedienen. Eine jahrhundertealte Tradition hat Schwierigkeiten, mit billigem Brot aus Supermärkten und Bäckereikiosken Schritt zu halten. Doch vor Läden wie der "Sofi Bakery" in Berlin, der authentischen Sauerteigbäckerei "Brotique" in Stuttgart, "Till & Brot", dem Betrieb des Brotsommeliers Tillman Gurka in Freiburg, oder "Liesbeth" am Mainzer Hafen bilden sich Schlangen: Kleine Betriebe, in denen hochwertige, oft regionale Zutaten von Hand zu ansprechenden Backwaren in einer gemütlichen Atmosphäre verarbeitet werden, wie miniature künstlerische Meisterwerke. Um dieses oppositionelle Brot zu genießen, muss man oft tiefer in die Tasche greifen und sich für Bio-Produkte entscheiden.
"Unser Selbstgebackenes Brot"
Ein luxuriöser Lebensstil wird auch jenseits des Brotes des Lebens verkauft. Die Website der "Sofi Bakery", zum Beispiel, bietet T-Shirts und Sweater mit der Adresse der Bäckerei, kobaltblaue Einkaufstaschen, Keramik-Teller und Granola in einem Glas an. Vorbestellungen für das berühmte "Berliner Brot" sind auch verfügbar, um die Warteschlange zu umgehen. Es ist kein Zufall, dass der Name wie ein teurer Modeartikel klingt - hinter der exklusiven Berliner Brotmanufaktur steht der dänische Koch und Gastronom Frederik Bille Brahe, dessen Kopenhagener Restaurants die Modeelite und Prominente wie seine Schwester, die renommierte Schmuckdesignerin Sophie Bille Brahe, und seine Frau, das Topmodel Caroline Brasch Nielsen, bedienen. Kein Wunder, dass das minimalistische Interieur und Design perfekt in ein Lifestyle-Magazin passen würden.
Über 50.000 Follower folgen der "Nachbarschaftsbäckerei" auf Instagram - der lokalen Bäckerei, die ihre Produkte mit elegant-chicen Fotos verkauft. Die neuen Kultbäckereien teilen diese Gemeinsamkeit: Sie richten sich an eine jüngere Generation von Brotliebhabern durch Social-Media-Marketing und haben eine weite Reichweite. Im Fall der österreichischen Christina Bauer warten über 168.000 Menschen gespannt auf Updates von der Bäckerei.
Viele Leute werden müde von der Massenproduktion von Brot und genießen den DIY-Ansatz zu Hause. Wie Christina Bauer es in ihrer Kochanleitung ausdrückt: "Das Gefühl des Teigknetens, das Abstauben von Mehl von den Fingerspitzen, der Duft von frisch gebackenen Laiben - einmal das selbstgebackene Brot probiert, und man ist fürs Leben begeistert." In ihrem Café gibt sie stolz zu, nur selbstgemachte Leckereien zu servieren: "Unser Klassiker ist eine traditionelle Mischung, unser Hausfavorit, ein Brot, das wir nicht ausverkaufen dürfen."
Christina Bauer sorgt dafür, dass ihre Bäckerei überwiegend regionale Zutaten verwendet, da sie an der damit einhergehenden Qualität und Transparenz glaubt. Das rustikale Ambiente von "Backwelt" ermöglicht es Kunden, das Backen kennenzulernen und frisch aus dem Ofen zubereitete Frühstücksoptionen zu genießen.