Von Plänen für den Ausbau einer Chip-Industrie in Europa hält der Geschäftsführer der Halbleiter-Vertriebsfirma Rutronik, Thomas Rudel, wenig. Das Geld komme am Ende ausländischen Firmen zugute. Neue Unternehmen aufzubauen, lohne sich nicht, sagte Rudel. «Wenn Sie es gescheit machen wollen, müssen sie acht bis zehn Milliarden investieren.» Nötig sei eine hohe Eigenkapitalquote, die kleine Firmen nicht hätten. Maschinen kriege man in Deutschland derzeit ebenso wenig wie Elektroingenieure. «Und dann haben Sie noch keine Patente. Und ohne Patente kannst Du nichts verkaufen.»
Das EU-Parlament hatte im Juli das Europäische Chip-Gesetz gebilligt, durch das für die Chip-Industrie bis zu 43 Milliarden Euro mobilisiert werden sollen. Die Investitionen sollen unter anderem aus dem EU-Haushalt und der Privatwirtschaft kommen.
Europa habe aber im Vergleich zu den Märkten in Asien und Amerika an Bedeutung eingebüßt, sagte Rudel. Früher seien die Anteile in etwa gleich verteilt gewesen. «Das hat sich verschoben.» Europa mache nur noch neun bis zehn Prozent Marktanteil aus. Kunden investieren nach seinen Angaben auch nicht mehr groß in Europa. «Wir wandern mit unseren Kunden mit, ob wir das wollen oder nicht», sagte Rudel.
Die Rutronik Elektronische Bauelemente GmbH ist einer von etwa einer Handvoll Halbleiter-Distributoren in Deutschland. Diese sind quasi der Vertrieb der Hersteller vor allem für Tausende Mittelständler. Rudel sprach von einer verlängerten Werkbank der Hersteller.
Mehr als 1900 Mitarbeitende in über 80 Rutronik-Niederlassungen weltweit betreuen den Angaben nach mehr als 40.000 Kunden und erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2022 einen Umsatz von 1,28 Milliarden Euro. In einem großen Logistikzentrum in Eisingen bei Pforzheim kommen in der Regel fünf Container am Tag an. In meterhohen und -langen Regalen sind mehr als 28 Milliarden Teile auf Lager. Hunderte Pakete werden Tag für Tag verpackt und auf den Weg gebracht.
Rutronik feiert in diesem Jahr 50-jähriges Bestehen. Die Distribution habe sich mit dem technischen Fortschritt deutlich geändert, sagte Rudel etwa mit Blick auf sogenannte smarte Küchengeräte, Smartphones und Co. Der Bedarf wachse, die Mengen würden größer.
Als eines der Hauptprobleme nannte Rudel Fachkräftemangel: «Es ist eine Katastrophe.» In der Region Karlsruhe/Pforzheim rund um den Stammsitz Ispringen gebe es tolle Universitäten und Fachhochschulen – «aber es fehlen Studenten». Fachkräfte gingen in die Schweiz und verdienten dort ordentlich Geld. Bürokratische Hürden wiederum erschwerten es, Arbeitskräfte nach Deutschland zu holen.
Rutronik versuche, effektiver zu werden, so dass weniger Personal gebraucht werde, sagte Rudel. «Aber irgendwo hört das mal auf.» Eine Entwicklungsabteilung hat Rutronik in Litauen aufgebaut. «Wir positionieren uns da, wo wir die Leute kriegen», erklärte Rudel. Sie entwerfen etwa Hauptplatinen mit Produkten verschiedener Hersteller.
Am Dienstag hatte der taiwanische Chip-Hersteller TSMC angekündigt, bis zum Jahr 2027 ein Halbleiterwerk in Dresden zu errichten. Geplant sind Subventionen in Milliardenhöhe. Experten äußerten jedoch Kritik.
So zeigte sich Christoph Schmidt, Präsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, skeptisch, dass die deutsche Konjunktur durch die Förderung den erhofften Schub bekommt. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sah in den geplanten Chipfabriken von TSMC sowie von Intel in Magdeburg «eine ungewisse Wette auf die Zukunft». Die Subventionen würden sich wirtschaftlich nur dann rechnen, wenn sie einen Impuls für die gesamte regionale Wirtschaft gäben und auch in anderen Branchen und bei Zulieferern Innovationen und neue Arbeitsplätze entstünden.