Arbeitswelt - Beschäftigungstrends für das neue Jahr: Wie werden wir im Jahr 2024 arbeiten?
Nach dem Corona-Schock wurde viel über die „neue Normalität“ in der Arbeitswelt diskutiert. Mitarbeiter wissen heute, dass die „neue Normalität“ keine statische Situation ist; die Arbeitswelt entwickelt sich ständig weiter. COVID-19-Entwicklungen wie Homeoffice und flexible Arbeitszeiten haben in einigen Branchen und Unternehmen zugenommen, während sie in anderen zurückgegangen sind.
Experten der International Workplace Group (IWG), einem globalen Anbieter von Coworking-Lösungen, haben gemeinsam mit Wissenschaftlern aktuelle Arbeitstrends untersucht und ein Whitepaper mit Blick auf das Jahr 2024 veröffentlicht. Der Analyse zufolge ist hybrides Arbeiten ein globaler Megatrend, der sich aufgrund des technologischen Fortschritts immer weiter beschleunigt.
Doch was bedeutet das für den deutschen Arbeitsmarkt? Wir haben mit Alexander Spermann, Arbeitsmarktforscher und Wirtschaftsprofessor an der Universität Freiburg und der privaten FOM Hochschule in Köln, und Christoph Schneider, Marktmanager bei IWG Deutschland, über die Zukunft des hybriden Arbeitens gesprochen.
Werden wir im Jahr 2024 alle mehr oder weniger von zu Hause aus arbeiten?
Seit dem ersten Corona-Lockdown ist in manchen Unternehmen die Arbeit im Homeoffice zur neuen Norm geworden. Es gibt aber auch einige Arbeitgeber, die zunehmend auf eine erhöhte Personalpräsenz drängen. In einigen Branchen ist ein Kulturkampf darüber ausgebrochen, wie viel Homeoffice erlaubt sein soll, kann und sollte.
Arbeitsmarktexperte Sperman rechnet nicht damit, dass Homeoffice bis 2024 zur alten Präsenzkultur zurückkehren wird. „Unternehmen werden bis 2024 weiterhin auf hybrides Arbeiten setzen“, sagte Spermann. „Hybrides Arbeiten trägt zu den drei D’s des deutschen Arbeitsmarktes bei: Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie.“ Das bedeutet: Die Reduzierung der Fahrten ins Büro spart nicht nur Zeit, sondern reduziert dank der Digitalisierung auch den CO2-Ausstoß und die Arbeitsmethoden kann dennoch zu einer hohen Produktivität führen. Darüber hinaus sind hybride Arbeitsformate in Zeiten des Fachkräftemangels auch eine Chance, älteren Arbeitnehmern, die beruflich aktiv bleiben möchten, die Möglichkeit zu geben, länger im Job zu bleiben, ohne jeden Morgen ins Büro fahren zu müssen.
Allerdings betonte Sperman auch die Grenzen des Homeoffice: „Gerade für jüngere Mitarbeiter, die gerade erst anfangen, kann die Arbeit komplett im Homeoffice mit einem Produktivitätsnachteil verbunden sein.“ Wenn sie noch vor Ort sind und der Arbeit direkt ausgesetzt sind Sie können oft mehr leisten und sich besser entwickeln. Wie das Verhältnis zwischen Präsenz- und Remote-Arbeit am besten gestaltet werden kann, ist nicht nur zwischen verschiedenen Branchen, sondern auch zwischen verschiedenen Teams innerhalb eines Unternehmens sehr unterschiedlich.
Nicht ganz selbstlos schlug IWG-Experte Christoph Schneider eine dritte Alternative zu Zentralbüros und Homeoffices vor. Dezentrale Coworking Spaces in der Nähe Ihres Zuhauses, in denen Mitarbeiter zusammenkommen können, ohne in die Zentrale der Stadt fahren zu müssen. IWG bietet solche Büros in Vorstadt- und Wohngebieten an und möchte seine Dienstleistungen in deutschen Städten ausbauen. „Büros müssen sich an die Lebensrealität der Menschen anpassen“, sagte Schneider.
Kommt die Vier-Tage-Woche?
Ein Arbeitstag weniger, voller Lohn: Die Vier-Tage-Woche ist bereits im Jahr 2023 ein heißes Thema. Die Diskussionen wurden durch vielversprechende Ergebnisse eines britischen Pilotprojekts angeheizt, bei dem Unternehmen erfolgreich eine Vier-Tage-Woche getestet haben. Bis 2024 werden 50 deutsche Arbeitgeber solche Experimente starten. Einige Gewerkschaften und einige SPD haben ihre Unterstützung für eine Vier-Tage-Woche zum Ausdruck gebracht. Im Tarifstreit zwischen Lokführern und der Bahn geht es vor allem um die Arbeitszeiten.
Arbeitsmarktexperte Sperman prognostiziert, dass die Vier-Tage-Woche im neuen Jahr wieder aufflammen wird. Er hat beobachtet, wie einzelne Arbeitgeber das Versprechen einer Vier-Tage-Woche als Rekrutierungslockmittel nutzten. Von einer flächendeckenden Umsetzung oder gar Verwirklichung des Rechts auf eine Vier-Tage-Woche sind wir allerdings noch weit entfernt.
Sperman sieht das Thema als Teil einer breiteren Diskussion: „Arbeitgeber, die attraktiv sein wollen, müssen oft flexible Arbeitszeitmodelle anbieten.“ Manche Menschen möchten vielleicht ihre gesamte Arbeit in vier Tagen erledigen, um einen Tag freizumachen. Andere würden lieber die gleichen Stunden arbeiten, um ihr Privatleben oder die Kinderbetreuung besser zu vereinbaren.
Wie soll hybrides Arbeiten in der Praxis funktionieren?
An unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten: Damit Hybridjobs funktionieren und dem Unternehmen Vorteile statt Nachteile bringen, müssen sie gut organisiert sein. Einige multinationale Unternehmen haben für diese Aufgabe eine spezielle Position geschaffen: den Chief Mixing Officer. IWG-Experte Schneider prognostiziert, dass bis 2024 mehr Unternehmen in Deutschland solche Top-Manager für die hybride Zusammenarbeit einstellen werden. Letztlich berührt hybrides Arbeiten Themen vom Immobilienmanagement (wie viele Büros brauchen wir wo?) über Arbeitszeitmodelle bis hin zu Technologiethemen (wie und wie kommunizieren wir?).
Diese Punkte bestimmen letztlich die Unternehmenskultur und die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Work-Life-Balance, sagt Arbeitsmarktforscher Sperman. Und: „Die Erwartungen der Mitarbeiter sind höher als zuvor.“
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Quelle: www.stern.de