Für die bevorstehende Krankenhausreform fordert der Landeschef der Barmer Ersatzkasse, Henning Kutzbach, Entscheidungen auf der Basis von Fakten. «Wir müssen uns ehrlich machen und offen darüber diskutieren, was langfristig nötig und auch tragfähig ist», sagte Kutzbach der Deutschen Presse-Agentur in Schwerin. Dabei gehe es um die demografische Entwicklung mit geringen Geburtenzahlen und einer älter werdenden Bevölkerung, erweiterte Versorgungsleistungen durch niedergelassene Ärzte, die Folgen der Digitalisierung und die zunehmenden Probleme, Fachkräfte zu finden.
Als Beispiel nannte der Landesgeschäftsführer der Barmer die Kinder- und Jugendmedizin. Erhebungen unter Barmer-Versicherten zufolge, die laut Kutzbach als repräsentativ angesehen werden können, ist die Versorgung von Patienten im Alter von bis zu 20 Jahren in Kliniken in Mecklenburg-Vorpommerns von 2010 bis 2019 um fast 20 Prozent gesunken. Die Corona-Pandemie habe den Trend noch einmal massiv verstärkt. Darunter hätten vor allem kleinere Krankenhäuser zu leiden, die trotz geringer Fallzahlen Personal und Technik vorhalten müssten. In 16 der landesweit 37 Krankenhäuser gibt es Kinderstationen mit 451 Bettenplätzen, laut Kutzbach teilweise weniger als zur Hälfte belegt.
«Das hat nicht nur finanzielle Folgen. Weniger Fälle bedeutet auch weniger Routine mit möglichen Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung und weniger Möglichkeiten für die Ausbildung junger Ärzte», erläuterte Kutzbach. Im Zweifel entscheide sich ein angehender Facharzt eher für die größere Klinik, weil er dort mehr lernen könne. Kutzbach verwies auf die Krankenhäuser in Wolgast und Parchim, deren Kinderstationen gegen erhebliche Proteste aus der Bevölkerug geschlossen worden waren. In Wolgast wurde alternativ als Modellprojekt eine Portalpraxisklinik für die Notfallbehandlung von Kindern eingerichtet, für Parchim wird weiter nach Lösungen gesucht.
Nach Überzeugung Kutzbachs sind auf Grund rückläufiger Geburtenzahlen und des zum Teil akuten Personalmangels neue Wege bei der Patientenversorgung unumgänglich. Zwar verspreche die vom Bund angekündigte Abkehr von der strengen Fallpauschale eine finanzielle Entlastung, da künftig auch Vorhaltekosten für Technik und Personal erstattet werden sollen. «Für Flächenländer mit geringer Bevölkerungsdichte führt aber kein Weg daran vorbei, die Spezialisierung als Chance zu nutzen und die Kooperation der Kliniken untereinander und mit niedergelassenen Ärzten zu vertiefen», betonte Kutzbach.
Aussagen des neuen Präsident der Landes-Ärztekammer, Jens Placke, stimmten ihn dabei zuversichtlich. Dieser hatte nach seiner Wahl jüngst ein Ende der in weiten Teilen noch vorherrschenden Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung gefordert. «Es muss landesweit gelingen, mit neuen Netzwerken und beispielsweise mit der Telemedizin künftig noch größer werdende Versorgungslücken zu schließen», sagte Placke im Gespräch mit der «Ostsee-Zeitung».
Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) hatte im Landtag erklärt, dass Mecklenburg-Vorpommern die Pläne des Bundes für eine umfassende Krankenhausreform unterstütze, dabei aber die besonderen Bedingungen ländlicher Räume gewahrt werden müssten. «Wir wollen sicherstellen, dass die Interessen dünn besiedelter Länder Berücksichtigung finden», betonte Drese. Doch räumte sie ein, dass das Land angesichts weiterer Herausforderungen wie steigender Energiekosten und Fachkräftemangels nicht um eine Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft umhinkomme. Ziel sei aber, alle 37 Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten. Jeder Standort werde gebraucht.