Als sich Liane Lippert im Labyrinth von Glasgow noch durch die verwinkelten Gassen quälte, hatte Lotte Kopecky am George Square bereits den nächsten belgischen Coup perfekt gemacht.
Nach ihrem vierten Platz vor einem Jahr fuhr die deutsche Meisterin zum Abschluss der Rad-WM in Schottland mit Platz 19 deutlich an einer Medaille im Straßenrennen vorbei. Stattdessen triumphierte nach 154,1 Kilometern Kopecky, die zwei Tage nach dem Triumph von Jungstar Remco Evenepoel im Zeitfahren dem belgischen Radsport einen weiteren großen Sieg bescherte. Die Plätze zwei und drei belegten die niederländische Tour-Siegerin Demi Vollering und Cecilie Ludwig aus Dänemark.
Lippert verpasste die entscheidende Attacke
«Ich bin sehr enttäuscht von dem Rennen. Die Erwartungen waren höher als Platz 19. Wir waren hier für das Podium, das haben wir nicht geschafft», sagte Lippert, die die entscheidende Attacke der Favoritengruppe 33 Kilometer vor dem Ziel verpasst hatte. Sie habe sich auch körperlich nicht gut gefühlt. Damit wartet das deutsche Team weiter auf die erste Medaille im Straßenrennen seit 2014, als Lisa Brennauer auf den zweiten Platz gefahren war. Der letzte von fünf Titeln liegt bereits 18 Jahren zurück. Damals hatte Regina Schleicher in Madrid gewonnen.
Auch in der U23-Klasse, die im Rahmen des Frauen-Wettbewerbs ausgetragen wurde, erfüllten sich die Hoffnungen von Zeitfahr-Weltmeisterin Antonia Niedermaier auf eine weitere Medaille nicht. Die 20-Jährige hatte schon früh den Anschluss an das Peloton und damit auch an einige ihrer direkten Konkurrentinnen verpasst.
Kopecky: «Ist ein unglaubliches Jahr»
Kopecky, die fünf Kilometer vor dem Ziel alleine wegzog, ist damit zum großen Star bei der Rad-WM aufgestiegen. Bereits auf der Bahn hatte sie zwei WM-Titel im Punktefahren und im Ausscheidungsfahren sowie Bronze im Omnium geholt. «Das ist ein unglaubliches Jahr. Dieser Titel bedeutet mir sehr viel. Es ist ein Traum wahr geworden», sagte Kopecky.
«Die Straße ist aber wichtiger», betonte Kopecky, die erst vor wenigen Wochen bei der Tour de France für Furore gesorgt hatte. Nach ihrem Etappensieg zum Auftakt fuhr sie sechs Tage im Gelben Trikot und wurde am Ende Gesamtzweite. Nun holte sie den ersten belgischen Titel seit 50 Jahren.
Kein Happy End gab es für die Titelverteidigerin Annemiek van Vleuten, die ihr letztes großes Rennen bestritt. Zwei Defekte kosteten der Grand Dame des Radsports alle Chancen. Die 40-Jährige hatte in der Vergangenheit kräftig abgeräumt: je zwei WM-Titel im Straßenrennen und im Zeitfahren, Rundfahrtsiege bei der Tour de France, dem Giro d’Italia und der Vuelta sowie zahlreiche Klassiker-Erfolge.
Dritter Platz für Deutschland in Mixed-Staffel
Die Ausgangsposition für Lippert war ohnehin nicht die beste. Das Feld war kaum in Glasgow angekommen, da war die Friedrichshafenerin auch schon auf sich alleine gestellt. Ein größeres Feld von 40 Fahrerinnen hatte sich gebildet, von den fünf deutschen Helferinnen war aber keine mehr dabei. Lippert präsentierte sich zu der Zeit an den Anstiegen noch in vorderer Position. «Die Strecke ist perfekt für Liane. Die kurzen Anstiege sind genau das, was sie lieben wird und was sie kann», hatte Ricarda Bauernfeind ihrer Kollegin vor dem Rennen Hoffnung gemacht. Es sollte aber nicht reichen.
Damit war die deutsche Ausbeute in den Eliterennen bei den Titelkämpfen in Schottland überschaubar. Lediglich ein dritter Platz in der von vielen Nationen noch wenig beachteten Mixed-Staffel sprang heraus. Dazu hatte es im Nachwuchsbereich drei weitere Medaillen gegeben.