Proteste gegen geplante Rentenreformen könnten zu Chaos in französischen Zügen, annullierten Flügen und Massendemonstrationen führen.
Die Medien sprechen bereits vom “Schwarzen Donnerstag”. Bis zu 750.000 Menschen werden voraussichtlich an Streiks und Demonstrationen gegen das vielleicht wichtigste Projekt von Präsident Emmanuel Macron teilnehmen. 10.000 Polizisten und Gendarmerie wurden im ganzen Land mobilisiert.
Was ist los?
Die Zentralregierung wird das normale Rentenalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der Beitragsjahre, die für eine Vollrente erforderlich sind, schneller steigen. Eine Reihe von Einzelsystemen, die bestimmte Berufsgruppen privilegiert haben, werden abgeschafft.
Das aktuelle Rentenalter beträgt 62 Jahre. In Wirklichkeit beginnt der Ruhestand aber im Durchschnitt später: Wer nicht lange genug einzahlt, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben, arbeitet auch länger. Mit 67 gilt unabhängig von der Einzahlungsdauer der volle Rentenanspruch – den will der Staat erhalten. Sie will die monatliche Mindestrente auf rund 1.200 Euro anheben. Wer früh ins Berufsleben einsteigt oder unter besonders erschwerten Bedingungen arbeitet, sollte früher in Rente gehen.
Während 1960 auf jeden Rentner vier Angestellte kamen, werden es bald nur noch viereinhalb Olivier Whelan sein, sagte ein Regierungssprecher. „Das ist nicht tragbar, weil es uns kollektiv gefährdet.“ Rentenkürzungen, höhere Rentenbeiträge und eine höhere Staatsverschuldung könnten durch Reformen vermieden werden. Die Regierung kann vermutlich auf die Unterstützung der Konservativen im Parlament zählen.
Was ist zu kritisieren?
Gewerkschaften haben Rentenreformen als brutal angeprangert. Diejenigen, die vor der Pensionierung keine Jobs mehr haben, schneiden schlechter ab. Auch Sonderregelungen, die kurz vor der Aufhebung stehen, wurden kritisiert. Deshalb rufen die großen Gewerkschaften zum Streik auf.
Im Gegensatz zu Deutschland wird Frankreich von stark politisierten Richtungsgewerkschaften dominiert. Hinzu kommt ein freieres Streikrecht und ein anderes Verhältnis zum Staat aufgrund der historischen Erfahrung erfolgreicher sozialer Bewegungen.
Streiks sind Donnerstag im Nah- und Fernverkehr möglich, ebenso Spenden an Krankenhäuser, Verwaltung und Grundschulen. Die Gewerkschaft CGT rechnet bei einigen Berufsgruppen mit einer Beteiligung von 60 bis 70 %. Raffineriestreiks sind ebenfalls möglich. Einzelne Politiker aus dem Energiesektor wurden mit gezielten Abschaltungen bedroht. Die Regierung hat das Land aufgefordert, nicht abgeriegelt zu werden.
Macron wollte schon in seiner ersten Amtszeit das Rentensystem reformieren. Das Projekt war wochenlang von Streiks heimgesucht worden und verzögerte sich schließlich aufgrund der Coronavirus-Pandemie. Zu Spitzenzeiten beteiligten sich etwa 800.000 Menschen an den Protesten.
Der Blick über die Grenzen hinaus
Frankreich blickt in der Debatte um die Rentenreform auch auf das Nachbarland Deutschland. Zum einen wird auf eine längere Vollrentenbezugsdauer von 45 Jahren und ein höheres Renteneintrittsalter von 67 Jahren verwiesen. Auch vom Ruhestand wird ein schlechteres Bild gezeichnet: In Deutschland seien Rentner ärmer, Unterschiede zwischen Ost und West und zwischen den Geschlechtern werden ebenfalls verurteilt. Gleichzeitig wurde auch die Zunahme der Beschäftigung älterer Menschen gelobt.