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Zehn Jahre AfD - «Gekommen, um zu bleiben»

AfD
Die Bundessprecher Tino Chrupalla und Alice Weidel feiern zehn Jahre AfD.

Hat die AfD ihren «Zenit überschritten»? Ist der «Spuk» bald vorbei? Geäußert wurden solche Hoffnungen in anderen Parteien in der Vergangenheit oft. Nun feiert die AfD ihren zehnten Jahrestag, sitzt in fast allen Landesparlamenten und im Bundestag und weder Umfrage- noch Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass sie auf absehbare Zeit wieder verschwinden wird.

Die einstige «Professorenpartei», die heute vom Inlandsgeheimdienst als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird, hat sich im deutschen Parteiensystem etabliert und wird nach Experteneinschätzung langfristig bleiben.

Vor genau zehn Jahren, am 6. Februar 2013, traf sich eine kleine Gruppe von nicht einmal 20 Leuten rund um den Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke und den konservativen Publizisten Konrad Adam in einem Gemeindesaal in Oberursel im Taunus. Keine zehn Kilometer entfernt vom Ort des damaligen AfD-Gründungstreffens, wollen an diesem Montag in Königstein etwa 300 Parteimitglieder das Jubiläum feiern. Gewerkschaften und Verbände haben zur Gegendemo in dem kleinen Kurort aufgerufen.

Kernthema Flüchtlingskrise

Den AfD-Gründern ging es damals um ein Gegenprogramm – eine «Alternative» – zur Euro-Rettungspolitik. Doch ihr Kernthema, nur phasenweise verdrängt durch Corona, Inflation oder Energiekrise, fand die AfD 2015 im Zuge der Flüchtlingskrise. In die Hände gespielt hätten ihr auch «islamistische Terroranschläge, die nach Paris, Brüssel und Nizza im Dezember 2016 auch die deutsche Hauptstadt Berlin erreichten, und die Übergriffe überwiegend maghrebinischer Migranten auf Frauen am Silvesterabend 2015/2016 in Köln», analysiert der Bonner Politikwissenschaftler und AfD-Experte Frank Decker in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung.

Experten und ehemalige Parteimitglieder sind sich einig, dass die AfD mit zunehmendem Fokus auf das Thema Migration und durch Veränderungen in ihrer Mitgliedschaft über die Jahre Stück für Stück weiter nach rechts gerückt ist. Von den drei Gründungsvorsitzenden Bernd Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry ist niemand mehr dabei. Nach Lucke verließen auch viele Mitglieder, die dem wirtschaftsliberalen Flügel zugerechnet wurden, die Partei.

Adam begründete seinen Austritt vor gut zwei Jahren damit, dass er keine Zukunft mehr für die AfD als «bürgerlich-konservative» Kraft sehe. Der Einfluss des Rechtsaußen-Flügels sei stetig gewachsen. Im Deutschlandfunk sagte Adam nun, er bereue es zwar nicht, die AfD gegründet zu haben, bedauere aber, was daraus geworden sei.

Lucke, der als Professor für Wirtschaft an der Universität Hamburg lehrt und forscht, will aktuell keine Interviews zum Kapitel AfD mehr geben. In einem «Zeit»-Gespräch hatte er 2019 auf die Frage, ob er die Partei 2013 gegründet hätte, wenn er gewusst hätte, was daraus werde, geantwortet: «Nein. Ganz eindeutig nein.» Die AfD bezeichnete Lucke als «eine latent fremdenfeindliche, deutschnationale Partei mit rechtsradikalen Einsprengseln». Daher solle der Verfassungsschutz Teile der Partei «lieber beobachten, als dass die vielleicht Unheil stiften».

Beobachtet vom Inlandsgeheimdienst

Inzwischen beobachtet der Inlandsgeheimdienst nicht mehr nur einzelne Landesverbände sondern die AfD insgesamt als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Er sieht ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei. «Kräfte, die versuchen, die extremistischen Tendenzen aus der Partei zu verdrängen, nehmen wir kaum noch wahr», sagt Behördenchef Thomas Haldenwang im Dezember.

Beobachten bedeutet, dass der Geheimdienst unter bestimmten Voraussetzungen etwa Kommunikation der AfD überwachen oder V-Leute und andere nachrichtendienstliche Mittel einsetzen kann. Dagegen geht die Partei gerichtlich vor. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen wird in der zweiten Jahreshälfte erwartet.

Im Gespräch mit aktiven AfD-Politikern winken diese beim Thema Verfassungsschutz und Bezeichnungen wie «rechtsextrem» oder «rechtsradikal» ab. Co-Parteichefin Alice Weidel spricht von einem Missbrauch des Geheimdienstes, um die AfD als politische Konkurrenz zu diskreditieren. «An uns ist überhaupt nichts Radikales. Meine Ansichten haben sich seit Helmut Kohls Zeiten in keiner Weise geändert», sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Bernd Baumann. Er habe früher CDU gewählt, doch die sei immer mehr «nach links gerückt».

10 bis 15 Prozent

Um die Zukunft machen er und andere führende Parteimitglieder sich keine Sorgen. «Wir sind Teil einer weltweit mächtigen Gegenbewegung zum links-grünen Mainstream. Von den 10 bis 15 Prozent Wähleranteil kriegt man uns nicht mehr runter», erklärt Baumann. 15 Prozent, das sei mehr als nur Protestpartei, betont der verteidigungspolitische Sprecher und frühere Bundeswehroffizier Rüdiger Lucassen. «Es müsste schon ein sehr grundlegender Politikwechsel bei den Altparteien kommen, den ich aber nicht sehe, dass wir überflüssig würden», antwortet Parteivize Peter Boehringer auf die Frage nach der Zukunft der AfD.

Auch der Politikwissenschaftler Frank Decker macht denjenigen wenig Hoffnung, die glauben, der «Spuk» könne irgendwann vorbei sein. «Die AfD ist gekommen, um zu bleiben und sie wird bleiben», ist er überzeugt. Mittelfristig sieht Decker sie im Westen bei Wahlen knapp im zweistelligen Bereich. Im Osten «dürfte der Zuspruch mehr als doppelt so hoch bleiben».

Die AfD profitiere unter anderem davon, dass sie von anderen Parteien nicht oder zu wenig repräsentierte Themen und Positionen besetze und einnehme, etwa bei der Zuwanderung oder beim Klimaschutz. «Beide Themen werden die Agenda auch in den nächsten Jahren prägen.»

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