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Was steckt hinter Saudi-Arabiens Kaufrausch?

Neymar
Neymar spielt nun für Al-Hilal.

Transferausgaben von mehr als 600 Millionen Euro, Spitzengehälter von 50 bis zu 200 Millionen: Die Großinvestitionen der saudi-arabischen Pro League sind das dominierende Thema dieses Fußball-Sommers und stellen sogar die Finanzkraft der englischen Premier League in den Schatten.

Am Dienstagabend wechselte der brasilianische Superstar Neymar (31) von Paris Saint-Germain zu Al-Hilal in der Hauptstadt Riad, was belegt: Es ist nicht nur die Generation 35 plus, die kurz vor dem Karriereende noch einmal zum Geld verdienen nach Saudi-Arabien wechselt. Es sind auch große Namen und Spieler im besten Alter dabei, die genauso gut zum FC Barcelona oder zu Bayern München hätten gehen können. Wichtig für das Verständnis ist: Es geht bei diesem Investment nicht zuvorderst um Fußball. Sondern um die strategischen Ziele eines der reichsten und repressivsten Länder der Welt.

Welche Stars sind nach Saudi-Arabien gewechselt?

Als der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo im Januar für ein Jahresgehalt von rund 200 Millionen Euro von Manchester United zum Al-Nassr FC wechselte, wurde das noch häufig belächelt. Motto: Ein Söldner im teuer bezahlten Vorruhestand – mehr nicht. Doch neben Ronaldo, Neymar und Real Madrids Torjäger Karim Benzema kauften saudische Clubs dem alten europäischen Fußball-Adel in den vergangenen Wochen noch andere große Namen weg.

Sadio Mané (Bayern München) und Marcelo Brozovic (Inter Mailand) folgten Ronaldo zu Al-Nassr. Frankreichs 2018er-Weltmeister N’Golo Kanté (FC Chelsea) und der Brasilianer Fabinho (FC Liverpool) gingen wie Benzema zu Al-Ittihad. Besonders bemerkenswert ist: Der Ivorer Franck Kessié (26/FC Barcelona), der Serbe Sergej Milinković-Savić (28/Lazio Rom) oder der Portugiese Ruben Neves (26/Wolverhampton Wanderers) wären dank Alter und Qualität für nahezu jeden europäischen Spitzenclub interessant gewesen. Aber auch sie unterschrieben in Saudi-Arabien.

Woher haben die saudischen Clubs das Geld?

Es ist nicht die gesamte saudische Liga, die einen Star nach dem anderen kauft. Es sind vor allem die vier Topclubs Al-Hilal, Al-Nassr (beide aus Riad), Al-Ahli und Al-Ittihad (beide aus Dschidda). Alle vier wurden in diesem Jahr zu je 75 Prozent vom saudischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) übernommen, der vor zwei Jahren bereits die Kontrolle über den englischen Champions-League-Teilnehmer Newcastle United übernommen hatte. Vorsitzender des Staatsfonds ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der das Land faktisch beherrscht. Und das Vermögen des PIF beträgt nach eigenen Angaben aktuell rund 700 Milliarden Dollar.

Warum investiert Saudi-Arabien so viel Geld in den Sport?

Schon 2016 legte bin Salman einen Staatsplan mit dem Titel «Saudi Vision 2030» auf. Seine Ziele sind: eine Diversifizierung der Wirtschaft, weniger Abhängigkeit vom Öl, eine Öffnung des Landes auch für Touristen und attraktive Angebote für die eigene Bevölkerung.

Unterhaltung sei «eine neue Wachstumsbranche im Königreich», schrieb die «Süddeutsche Zeitung». Rund 60 Prozent der saudi-arabischen Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre. Auch sie hat der Kronprinz im Auge, wenn er massiv in den Sport investieren lässt. Die Fußball-Stars sind schon im Land, die Fußball-WM soll 2034 oder 2038 folgen. Auch ins Golf-, Formel-1- und Tennis-Geschäft sind die Saudis längst eingestiegen. Ein Vorwurf ist deshalb auch: Das streng konservativ regierte Königreichs betreibt «Sportswashing», um von seinen Verstößen gegen die Menschenrechte abzulenken.

Welche Reaktionen löst das aus?

Saudi-Arabien ist noch repressiver und gesellschaftlich rückständiger, als es der hochumstrittene WM-Gastgeber Katar schon ist. So sind Homosexualität und Alkoholkonsum streng verboten und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt. Der Journalist und Regimekritiker Jamal Khashoggi wurde 2018 nach Angaben türkischer Behörden im saudischen Konsulat in Istanbul getötet und zerstückelt.

Entsprechend massiv fiel auch die Kritik in Brasilien an dem Neymar-Wechsel aus. «Zu Al-Hilal zu gehen, wird ein ewiger Fleck in der Karriere von Neymar sein», schrieb etwa das Sportportal «Globo» am Dienstag.

Die Reaktionen im europäischen Fußball bewegen sich zwischen Erstaunen und Entsetzen. «Saudi-Arabien wirft mit so viel Geld um sich, dass einem nahezu schwindlig wird», sagte Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro. «Es ist teilweise wahnsinnig, nicht rational zu verstehen. Die Saudis versuchen, über den Fußball und andere Sportarten ihr Image aufzupolieren.»

Bei aller Schwächung der europäischen Top-Ligen bietet sich für sie aber auf einmal auch ein teilweise sehr willkommener Absatzmarkt. PSG oder Bayern München wollten Stürmer wie Neymar und Mané ohnehin loswerden. Ohne die saudische Transferoffensive hätte sich aber kaum ein Club gefunden, der ihre hohen Gehälter weiter zahlt. Der FC Chelsea verkaufte gleich drei Spieler nach Saudi-Arabien und konnte seinen eigenen Kaufrausch dadurch besser finanzieren.

Welche Stars können noch folgen?

Allein am Mittwoch berichteten die «Bild»-Zeitung und die BBC von dem Interesse saudischer Clubs an dem Bundesliga-Profi Aissa Laidouni (Union Berlin) und dem spanischen Nationalspieler Aymeric Laporte (Manchester City). Das nächste ganz große Transferziel der Pro League ist aber der ägyptische Stürmerstar Mo Salah vom FC Liverpool.

Wo können deutsche Fans die Spiele sehen?

Fans, die in Deutschland leben, können ab Donnerstag auch bei der Telekom Spiele der Saudi Pro League sehen. Über ein erweitertes MagentaSport-Angebot («Sportdigital FUSSBALL») werden «in der Regel» ein bis zwei Partien pro Spieltag mit deutschem Kommentar angeboten, teilte das Unternehmen mit. Auch der Streamingdienst DAZN überträgt Spiele aus Saudi-Arabien, wo seit 11. August die neue Saison läuft.

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