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Vorwürfe gegen Trainer: Die zähe Aufarbeitung der Causa Fuhr

Was sich zwischen dem ehemaligen Bundesligatrainer André Fuhr und dutzenden Handballerinnen wirklich abspielte, ist auch ein Jahr nach den schwerwiegenden Anschuldigungen nicht vollumfänglich aufgeklärt. Die Vorwürfe der Athletinnen sind gravierend.

Eine unabhängige Kommission arbeitet den Fall inzwischen auf. Bis ein Abschlussbericht vorliegt, werden noch viele Monate vergehen. Anschuldigungen – diesmal von Fuhr – sorgen schon jetzt für neuen Wirbel. Die Kommission und Athletenvertreter reagieren deutlich.

Mit ihrer fristlosen Kündigung bei Borussia Dortmund hatten die Nationalspielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger den Fall im September 2022 öffentlich gemacht. In der Folge meldeten sich weitere Sportlerinnen, die nach eigenen Angaben psychisch unter Fuhrs Trainingsmethoden gelitten hatten. Sowohl der Bundesligist aus Dortmund als auch der DHB, wo der 52-Jährige als U20-Trainer arbeitete, beendeten daraufhin die Zusammenarbeit mit Fuhr.

Schweigen gebrochen

Der Beschuldigte selbst hatte sein Schweigen erst vergangene Woche gebrochen. «Natürlich ist es einfach zu sagen, so war es aber nicht, oder der Kontext ist nicht richtig wiedergegeben, aber hier ist es ja viel komplexer. Es geht vor allem um Wahrnehmungen und persönliche Empfindungen, die kann man niemandem absprechen», sagte Fuhr in der «Sport Bild» zu den Vorwürfen und ergänzte: «Bezogen auf das, was ich gelesen habe, kann ich nur sagen: Es gibt Sachverhalte, die nicht stattgefunden haben. Es gibt Sachverhalte, die so nicht stattgefunden haben. Es gibt Sachverhalte, an die ich mich nicht in der geschilderten Form erinnern kann oder eine andere Erinnerung habe.»

Der Trainer beklagte zudem, viele Anschuldigungen nur aus den Medien zu kennen. Dass die Kommission ihn bislang nicht befragt habe, könne er nicht nachvollziehen. «Ich verstehe einfach nicht, wie sie aufklären wollen, ohne bisher mich zu hören», befand Fuhr.

Systematischer Prozess

Ein Vorwurf, dem die Kommission so begegnet: Derzeit würden in einem systematischen Prozess Betroffene, Beteiligte und Zeugen befragt. «In diesem Prozess wird auch Herr Fuhr angehört werden und Gelegenheit bekommen, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Dies wurde Herrn Fuhr auch bereits transparent und vor geraumer Zeit mitgeteilt», sagte Kommissionsmitglied Bettina Rulofs der Deutschen Presse-Agentur. Den Zeitpunkt der Anhörung lege das Gremium fest, «unabhängig davon, ob sich Herr Fuhr im Rahmen von Interviews in den Medien äußert».

Auch DHB-Präsident Andreas Michelmann bekräftigte, dass Fuhr angehört werden müsse. «Aber wenn sich die Kommission prioritär mit den Betroffenen beschäftigt, ist klar, dass er erst danach an die Reihe kommt. Wenn wir uns dort einmischen, ist die Kommission nicht mehr unabhängig.»

Das Gremium besteht aus sechs Experten und Expertinnen. Rulofs ist eine von ihnen. Die Professorin forscht an der Sporthochschule Köln zu Strukturen im Sport, die Gewalt verdecken oder begünstigen. «Der Körper von Athleten und -athletinnen wird so diszipliniert, dass er vieles aushalten kann, sodass gegebenenfalls auch körperliche Übergriffe durch Personen aus dem Umfeld des Sports bagatellisiert werden», erklärte Rulofs.

Hinzu komme, dass Athleten ihre Lebensführung oft ausschließlich auf den Sport ausrichteten. «Wenn in einem solchen Umfeld Gewaltübergriffe stattfinden, ist es für die Betroffenen schwierig, dies offenzulegen, weil sie damit ein System gefährden würden, in das sie selbst ganz eng eingebunden sind und viel investiert haben.»

Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse

Rulofs warnte in dem Zusammenhang auch vor den Bedingungen von Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Trainern und Athleten. «Abhängigkeitsverhältnisse sind immer dann gefährlich, wenn es um Nominierungen für Teamaufstellungen oder Kaderzugehörigkeiten geht. Hier geht es auch oftmals um existenzielle Aspekte, wenn durch Nicht-Nominierungen sportliche Karrieren zerstört werden», sagte Rulofs. Der enorme Druck könnte Sportler dazu bringen, Gewaltübergriffe auszuhalten.

Wie es den Handballerinnen heute geht, ist unklar. Auf dpa-Anfrage wollten sich keine der Betroffenen äußern. «Oft ziehen Gewalterfahrungen langjährige psychotherapeutische Betreuung nach sich», teilte «Anlauf gegen Gewalt», eine Initiative von Athleten Deutschland, auf dpa-Anfrage mit. Für Spitzensportler könnten diese Erlebnisse das Ende ihrer Karriere bedeuten.

Seit Mai 2022 existiert das Hilfeangebot für Spitzensportler. Auch Berger und Zschocke, die mittlerweile bei neuen Vereinen spielen, hatten sich an die Initiative gewandt. «Insgesamt haben sich bisher 187 Hilfesuchende bei Anlauf gegen Gewalt gemeldet. Hinzu kamen 70 Anfragen für Beratungen von Institutionen aus dem Sport», äußerte eine Sprecherin.

Dass die Arbeit der Kommission auf 18 Monate ausgelegt ist, hält Athleten Deutschland für angebracht. «Unangemessener Zeitdruck kann zu Fehlern und Nachlässigkeiten führen», hieß es in einer Mitteilung. Fehler, die den Betroffenen im schlimmsten Fall ein zweites Mal schaden.

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