Wenn es um die Arbeit geht, halten sich die meisten Deutschen an strenge Regeln, zum Beispiel: Pünktlich sein. Überstunden sind jedoch keine Seltenheit. Beinahe die Hälfte aller Arbeitnehmer arbeiten mehr, als es eigentlich vorgeschrieben ist. Studien belegen, dass ständige Überstünden sich nicht nur negativ auf die Gesundheit und auf die Arbeitsleistung, sondern auch auf den wirtschaftlichen Nutzen der Unternehmen auswirken können.
Wer macht am meisten Überstunden?
Die meisten Arbeitsverträge beruhen auf einer 40-Stunden-Woche. Laut der Studie „Arbeitszeitmonitor 2021“ der Plattform salary.de, arbeitet die Hälfe aller Arbeitnehmer im Durchschnitt drei Stunden mehr pro Woche. Diejenigen, die mehr verdienen, investieren auch mehr Zeit in ihre Arbeit.
Qualifizierte Fachkräfte mit einem Jahres-Bruttogehalt im sechsstelligen Bereich, arbeiten durchschnittlich sechs Stunden mehr die Woche, Manager ganze acht Stunden mehr. Arbeitnehmer, die weniger als 40 000 Euro im Jahr verdienen, leisten in der Regeln knapp zwei Stunden mehr in der Woche. Lediglich ein Drittel der Arbeitnehmer werden für ihre Überstunden extra entlohnt. Etwa 85% der Menschen, die in Führungspositionen arbeiten, machen regelmäßig Überstunden.
Besserung in Sicht
Doch es gibt auch gute Neuigkeiten: In den letzten zehn Jahren ist die Anzahl an Überstunden, die deutsche Arbeitnehmer leisten, deutlich gesunden. Im Jahr 2009 lag der Wert bei 6,5 Überstunden.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Stellen Unternehmen mehr Menschen ein, um Urlaubsausfälle, Krankheitsschreibungen oder kurzfristige Nachfrage auszugleichen, bedeutet das für sie auch mehr Kosten. Unter anderem holen sich Unternehmen Hilfe bei der Personalplanung bei Zeitarbeitsagenturen. Urlaubsvertretungen können somit rechtzeitig organisiert werden.
Oft lohnt es sich für die Unternehmen, Geld in die Anstellung neuer Arbeitskräfte zu investieren. Viel teurer können ihnen lange krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern zu Stande kommen. Wissenschaftler der Universität in Halle-Wittenberg und der Universität in Erlangen-Nürnberg, kamen zu der Schlussfolgerung, dass sogar eine einzige Überstunde in der Woche, sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Zu viel Arbeit belastet vor allem die Psyche. Von Müdigkeit und Erschöpfung bis hin zu depressiven Stimmungen: All das sind Nebenwirkungen von zu vielen Überstunden. Die Ergebnisse dieser Studie werden durch Daten von Krankenkassen belegt.
Es geht jedoch nicht nur um die psychische, sondern auch um die physische Gesundheit. Diejenigen Arbeitnehmer, die zu viel arbeiten, klagen oft über Kopf- und Rückenschmerzen. Ein zu langer Arbeitstag steigert das Risiko der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch steigt das Risiko von Unfällen, da die Konzentration bei Überstunden sinkt. Als Folge, müssen sich die Mitarbeiter immer öfter krank schreiben – und das wiederum hat negative Folgen für das Unternehmen.
Zufrieden mit der Arbeitszeit – zufrieden mit der Arbeit
„Vielleicht ist es für manche Unternehmen kostengünstiger, kurzfristige Produktionssteigerung aufgrund von Nachfrage durch Leisten von Überstunden anstatt Anstellung von zusätzlichen Arbeitskräften, aufzufangen. Werden die Überstunden bezahlt, hat die Mehrarbeit keinerlei Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit oder die Gesundheit der Arbeitnehmer: Diese Strategie der Unternehmen ist nachvollziehbar. Die Entlohnung der Mehrarbeit ist ein wichtiger Schlüsselmoment“, meint Kai-Uwe Müller vom Deutschen Institut für Wirtschaftsplanung in Berlin.
Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen sind sogar bereit zusätzliche Schichten zu leisten, um mehr zu verdienen. Führungskräfte bekommen bereits ein angemessenes Gehalt und machen Überstunden, weil sie ihre Arbeit nicht verlieren möchten.
Nicht alle Menschen, die Überstunden leisten, sind damit auch unzufrieden. Doch die meisten, die Mehrarbeit leisten, würden gern „herunterschrauben“, unter anderem im Sinne ihrer Gesundheit. Die Gewerkschaften bestätigen, dass die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit eine der wichtigsten Komponenten der gesamten Zufriedenheit mit der Arbeit darstellt.
Wie geht es nun weiter?
Die Zeit ist die neue Währung, auch am Arbeitsplatz. In Zukunft werden die Arbeitnehmer folglich vor die Wahl gestellt: Mehr Geld und Arbeit oder mehr Zeit und Unabhängigkeit.
„Es geht nicht nur um die Senkung der Arbeitsstunden, sondern um die Flexibilität der Arbeitszeiten und der Entlohnung der Arbeit – abhängig von Löhnen und Gehältern sowie der Arbeitszeit“, behauptet der Psychologe Theo Wehner. Er schlägt vor, dass statt der 40- oder 42-Stunden-Woche, die Arbeitsverträge auf Jahresarbeitsstunden basieren sollten. So können die Mitarbeiter diese selbst nach Bedarf einteilen. Wenn es notwendig ist und bestimmte Deadlines eingehalten werden müssen, können die Arbeitnehmer mehr arbeiten. Wenn man zu müde ist oder die Arbeit nicht richtig „läuft“, kann man etwas früher gehen oder sich ein langes Wochenende nehmen.
Dank der Corona-Pandemie gab es bereits viele Veränderungen in der Arbeitswelt. Wenn Homeoffice für viele Unternehmen früher undenkbar war, so ist es heute für viele bereits Normalität. Aber es gibt nach wie vor noch viel zu tun.
Autorin: Alla Treus
Übersetzt von Arina Lerke