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Trauer um Regisseur Jürgen Flimm

Jürgen Flimm
Der Regisseur und Intendant Jürgen Flimm ist gestorben.

Er selbst sah sich «immer auf Entdeckungsreise». Gleichzeitig war Jürgen Flimm auf der ganzen Welt zu Hause. Der Regisseur und Intendant wirkte international in Oper, Theater, Film, Fernsehen. Seine Arbeiten wurden an Häusern auf mehreren Kontinenten gefeiert. Flimm starb am Samstag im Alter von 81 Jahren, wie die Berliner Staatsoper Unter den Linden mitteilte.

Nach unzähligen Arbeiten bleiben seine jüngsten Regiepläne damit unerfüllt. Am Hamburger St. Pauli Theater wollte Flimm in diesem Frühjahr noch Samuel Becketts «Das letzte Band» mit Wolf-Dietrich Sprenger realisieren.

Im Mittelpunkt seiner Regiearbeit stand der Mensch mit seinen sozialen und psychologischen Verstrickungen. Dabei versuchte er stets, nah an Gegenwärtigem zu bleiben. Das Theater wurde bei ihm zum unverzichtbaren Teil aktueller Lebenswelten.

Gleichzeitig hatte er mit Mozart eine Art persönlichen Hausgott. «Figaros Hochzeit» oder «Don Giovanni» seien die größten Werke, die Menschenhand je geschaffen habe, schwärmte er einst. Aufbruch und Bewahren, Tradition und Suche nach neuen Formen standen für Flimm nicht in Konkurrenz. Er versuchte auf der Bühne, scheinbar Gegensätzliches zu verbinden.

Er sah sich nicht als rheinische Frohnatur

Am 17. Juli 1941 als Kind einer protestantischen Ärztefamilie in Gießen geboren, wuchs Flimm in Köln auf und studierte dort Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie. Zuviel Einfluss sollte die Stadt nicht haben auf sein Image. «Nur weil ich einmal laut Lieder gesungen habe, mich immer wieder rheinische Frohnatur zu nennen, ist totaler Quatsch», sagte er mal. Doch auch den «romantischen deutschen Künstler», der regelmäßig in Melancholie versinke, wollte er nicht geben.

Seine Regiekarriere startete er 1968 als Assistent bei Fritz Kortner und Claus Peymann an den Münchner Kammerspielen. Als Theaterleiter verdiente er sich in Köln von 1979 bis 1985 Meriten. Das Hamburger Thalia Theater machte er als Intendant von 1985 bis 2000 zur bestbesuchten Bühne Deutschlands.

Flimm leitete die Ruhrtriennale und von 2006 bis 2010 die Salzburger Festspiele. Dort wurde er am Wochenende mit Trauerbeflaggung geehrt. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden leitete er von 2010 bis 2018 als Intendant. Im Duo mit Dirigent Daniel Barenboim meisterte er dabei heikle Jahre mit zweimaligem Umzug des Hauses, weil die Staatsoper saniert werden musste. Anschließend war es genug für ihn, weil er «keinesfalls der älteste Intendant Deutschlands» sein wollte und auch nicht «mit einem Rollator durch die Gänge fahren».

Er war auf vielen Bühnen zuhause

Er war über die Jahrzehnte auf den wichtigsten Bühnen unterwegs. Flimm wirkte unter anderem an der Mailänder Scala, am Royal Opera House Covent Garden London, an der Wiener Staatsoper, an der Metropolitan Opera New York sowie bei den Bayreuther und den Salzburger Festspielen.

Mit seinem Bayreuther «Ring des Nibelungen» erntete er gespaltene Reaktionen, ebenso bei seiner Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt zu Henry Purcells «King Arthur» in Salzburg. Ungeteilt gefeiert wurde er dagegen in New York mit Beethovens «Fidelio», die von der «New York Times» zur besten Opernproduktion des Jahres gekürt wurde. Auch für ihn war es eine seiner besten Arbeiten.

Flimm war auch Regisseur bei Film- und Fernsehproduktionen. So realisierte er unter anderem zwei Folgen der in den 70er Jahren als TV-Kult geltenden Staffel «Ein Herz und eine Seele» mit Heinz Schubert als Ekel Alfred und Helga Feddersen in der Rolle der Else. Mitunter wirkte Flimm auch als Schauspieler. So stand er unter anderem in zwei «Tatort»-Folgen vor der Kamera.

In Berlin traf er sich manchmal mit Otto Rehhagel, ihn kannte Flimm aus Hamburger Zeiten. An dem Fußballtrainer bewundert er Nervenstärke und Menschenkenntnis. «Der hat als Trainer jede Woche Premiere.»

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