Es war ein schöner Abend im Familien- und Freundeskreis, der beim traditionellen Eisbaden anlässlich der Taufe Jesu ausklingen sollte. Doch das Ritual, das von vielen Menschen in Russland jährlich am 19. Januar vollzogen wird, endete für eine Frau aus Sankt Petersburg tödlich.
Am Abend des 19. Januars begaben sich mehrere Frauen und Männern in Begleitung von Kindern zum Eisbaden in einer Wake (einem selbstgeschlagenen Eisloch) am Fluss Oredesch. Die Gruppe verbrachte gemeinsame Freizeit in einem Datscha-Dorf in der Nähe der Stadt Gattschina, im Leningrader Gebiet. Nach einem Besuch in der Banja, der traditionellen russischen Sauna, wollten die Frauen und Männer gemeinsam das Fest der Heiligen Taufe begehen und entschieden sich, am nahegelegenen Fluss baden zu gehen.
Die Prozedur soll an die Taufe Jesu erinnern. Dabei steigen die Menschen ins kalte Wasser, tauchen dreimal herunter, bekreuzigen sich anschließend und sprechen Gebete für sich und ihre Nächsten. In der Regel sollen solche Aktionen an offiziellen Plätzen und unter Aufsicht von Sicherheits- und Rettungskräften vollzogen werden. Die selbstgemachte Wake am Fluss Oredesch war aber kein offizieller Ort zum Eisbaden. Der Fluss hat zudem eine starke Strömung – von bis zu drei Meter pro Sekunde. Ob die Gruppe sich der Gefahr bewusst war, darüber kann jetzt nur spekuliert werden.
Die letzten Sekunden im Leben einer Frau
Ein Video, das später ins Netz gelangt ist, zeigt die schreckliche Tragödie. Die Aufnahmen lassen das Blut in den Adern gefrieren: Eine zierliche Frau steht am Rande der Wake, springt ins dunkle Wasser und verschwindet sofort unter der dicken Eisschicht. Als sie nicht sofort wieder auftaucht, kann man nur vom Schlimmsten ausgehen.
Bereits nach Sekunden reagieren die umherstehenden Männer. „Sie ist weg! Leute, schnell!“, hört man die entsetzten Schreie im Video. Der Ehemann der Verunglückten springt sofort hinterher, doch kann in der Dunkelheit der Gewässer seine Frau nicht mehr finden. Vermutlich wurde sie bereits mehrere Meter von der Öffnung der Wake weggetragen. Mehrmals taucht der verzweifelte Mann in das eiskalte Wasser. Leider wird sehr schnell klar, dass die Frau nicht mehr gerettet werden kann. Besonders herzzerreißend sind die Schreie des zehnjährigen Sohnes, der das Ausmaß der Tragödie sofort begriffen hat und verzweifelt nach seiner Mutter ruft.
Ergebnislose Suchaktion
Nach der Verständigung der Polizei, suchen professionelle Rettungstaucher nach dem Körper der Frau. Das Video vom Unglücksort und von den letzten Lebenssekunden der Verunglückten verbreiteten sich im Internet wie ein Lauffeuer. In ganz Russland herrscht blankes Entsetzen. Auf allen Kanälen wird über die Tragödie und darüber, wie es soweit kommen konnte, diskutiert. Experten warnen die Menschen vor den Gefahren des Eisbadens. Es werden kritische Stimmen laut, die ein Verbot des Eisbadens fordern. Jedes Jahr passieren in Russland zahlreiche Unglücke beim Begehen des Rituals. In den meisten Fällen an ungesicherten und unbewachten Stellen. Oft sind die Menschen auch übermütig und sind sich der Gefahr des eiskalten Wassers sowie der Gewässer nicht bewusst.
Experten und Kirchenvertreter mahnen zur Vorsicht
Nach der Tragödie mahnten Experten sowie Kirchenvertreter die Menschen zur Vernunft und Vorsicht beim Eisbaden. Das Steigen ins eiskalte Wasser sei nicht zu unterschätzen. Dies sollte nur an offiziellen Stellen und nur unter Aufsicht von Sicherheits- und Rettungsdiensten geschehen, die im Notfall zur Hilfe kommen können. Auf dem Video ist zu sehen, wie die Frau nicht etwa vorsichtig und langsam ins Wasser steigt – wie es empfohlen wird, sondern gleich mit dem ganzen Körper hineinspringt. Solche gewagten Sprünge ins eiskalte Wasser könnten ein Kollabieren des Kreislaufsystems verursachen, Atemnot hervorrufen, zur Ohnmacht und sogar zum Herzstillstand führen. Ob die Frau unter dem Eis ertrunken oder vielleicht aufgrund vom körperlichen Versagen gestorben ist, bleibt bis jetzt eine offene Frage. Die Taucher konnten ihren Körper bisher nicht finden. Nun wurde ein spezielles Suchgerät eingesetzt. Aufgrund der Strömung gestaltet sich die Suche jedoch schwierig. Bereits zwei Suchgeräte sind schon abhanden gekommen.
Die 40-jährige Frau aus Sankt Petersburg hinterlässt einen Ehemann, eine 14-jährige Tochter sowie einen 10-jährigen Sohn. Die Familie der Verunglückten tritt in keinen Kontakt mit der Presse. Die Kinder, die den schrecklichen Tod ihrer Mutter mitansehen mussten, werden psychologisch betreut.