Harry Kane gab dem Schiedsrichter die Hand, klatschte mit seinen neuen Teamkollegen ab – und musste dabei den Leipzigern bei der Siegesfeier zuschauen. Auch der teuerste Fußballer in der Historie des FC Bayern München konnte bei seinem Debüt am Tag seiner Verpflichtung nicht verhindern, dass der DFB-Pokalsieger der Münchner Euphorie mit einem erstaunlich reif erspielten 3:0 (2:0) im Supercup einen heftigen Dämpfer versetzte. Der erste nationale Titel der Saison geht nach Sachsen.
Der dreifache Torschütze Dani Olmo avancierte im ersten Pflichtspiel der Saison zum zweiten Hauptdarsteller eines bemerkenswerten Abends – und zwar als abgezockter Matchwinner. Der 25-jährige Spanier überwand am Samstagabend Bayern-Torwart Sven Ulreich zunächst zweimal aus dem Spiel heraus (3./44. Minute) und dann nochmal eiskalt vom Elfmeterpunkt (68.). Die 75.000 Zuschauer erlebten keine Kane-Party, sondern eine Olmo-Show.
«Ich glaube, dass wir in Summe verdient gewonnen haben, auch in der Höhe», sagte Leipzigs Sportchef Max Eberl bei Sky. «Wir haben es gut gemacht heute.» Trainer Marco Rose lobte: «Wir haben leidenschaftlich verteidigt.»
Trotzdem stand der Sommertag in München im Zeichen des Kane-Hypes. Harry hier, Harry da, Harry überall. In der Nacht zum Samstag war die Transfersaga um den ersten 100-Millionen-Mann in 60 Bundesliga-Jahren mit Kanes Unterschrift unter einen Vierjahresvertrag zu Ende gegangen. Und der erhoffte neue Super-Neuner des FC Bayern verkündete, dass er es kaum abwarten könne, «meine Qualitäten auf dem Platz zu zeigen, hoffentlich viele Tore zu erzielen und die Fans glücklich zu machen». Auf Anhieb gelang ihm das nicht, der von Tottenham gekommene Kapitän der englischen Nationalelf lauerte vergeblich im Strafraum.
Stolz über den Transfercoup äußerten sich vor dem Anpfiff Bayerns Bosse und auch der dann im Spiel ganz und gar nicht mehr zufriedene Trainer. Tuchel sprach beim TV-Sender Sat.1 von einem «Statement» auf dem Transfermarkt. «Harry hat das gewisse Etwas, und das wird er hoffentlich unter Beweis stellen.» Vorstandschef Jan-Christian Dreesen gestand, dass der Rekordmeister beim Zielobjekt Kane «ein Stückchen All-in gegangen» sei.
All-in im Supercup-Duell ging es auf dem Rasen dann erstmal ohne die Hauptattraktion Kane. 84 Tage nach ihrem 3:1 im Bundesliga-Endspurt entpuppten sich die Leipziger beim Wiedersehen erneut als resolute Spielverderber – und das trotz des Verlustes etlicher Topspieler im Sommer. Einer aber blieb – und der spielte groß auf. Olmo düpierte die Bayern-Abwehr gleich zu Beginn und dann so richtig beim Tor zum 2:0. Den Treffer nach einer eleganten Drehung im Strafraum beobachteten auch die Bayern-Kapitäne Manuel Neuer und Thomas Müller als Zuschauer im Unterrang der Tribüne staunend.
Die Bayern waren spielbestimmend, aber die Leipziger agierten harmonischer, griffig in den Zweikämpfen und vorm Tor entschlossen. Zwei Großchancen vergab dagegen Bayerns Sturmtalent Mathys Tel in der ersten Hälfte nach Vorarbeit von Serge Gnabry – und alle im Stadion dachten: Die hätte Kane bestimmt gemacht. Die Gäste hatten zudem Glück, dass der Ball bei einer Abwehraktion von Mohamed Simakan am Pfosten landete und nicht im eigenen Tor (28.).
Der unzufriedene Tuchel reagierte zur Halbzeit, wechselte dreimal. Er brachte den immerhin auch 50 Millionen Euro teuren Abwehrriesen Minjae Kim. Und er forcierte die Offensivkraft, in dem er Neuzugang Konrad Laimer rausnahm und Kapitän Joshua Kimmich zum alleinigen Sechser machte. In der 63. Minute kam dann auch noch Kane – aber die Wende blieb aus.