Das Rätsel seines Chefs konnte Yuki Tsunoda auch vor seinem Heimrennen in Suzuka nicht lösen. «Es ist noch nicht bestätigt, ich weiß es aber auch nicht, um ehrlich zu sein», meinte der Japaner bei der Fahrerpressekonferenz am Donnerstag über seine für die kommende Formel-1-Saison weiter ungeklärte Vertragssituation.
Ein Dreikampf herrsche bei Alpha Tauri, hatte Geschäftsführer Peter Bayer noch kurz nach der Schwitzkur in Singapur geäußert und damit den Verdrängungswettbewerb um die zwei Stammcockpits beim Red-Bull-Schwesterteam beschrieben.
Tsunoda, Ricciardo, Lawson – einer ist zu viel
Tsunoda (23), in seiner dritten Saison bei Alpha Tauri, Daniel Ricciardo (34), die Ablösung des enttäuschenden Nyck de Vries und aktuell nach einem Handbruch nur Zuschauer, und Liam Lawson (21), Überraschungsneunter in Singapur: einer davon ist bei Alpha Tauri zu viel. «Natürlich haben wir eine gewisse Vorstellung, wie es idealerweise sein könnte, aber momentan lassen wir das mal offen», ließ Bayer die Konkurrenten wissen.
Ungewissheit als Ansporn? Unsicherheit als Motivationshilfe? Mit solchen Instrumenten der Mitarbeiterführung ist Mick Schumacher (24) bestens vertraut. Der Sohn des deutschen Rekordweltmeisters Michael Schumacher erhielt in seiner zweiten und letzten Saison als Stammpilot beim US-Team Haas ähnliche Ansagen. Teamchef Günther Steiner dehnte sie aber zu einer Hinhaltetaktik aus. Am Ende wurde Mick Schumacher vor die Tür gesetzt und durch Routinier Nico Hülkenberg (36) ersetzt.
Kein Vorbeikommen an Hamilton, Alonso & Co.
Aus der Chance für die Jugend wurde bei Haas die Hoffnung auf das Bewährte. Stars in hohem Formel-1-Alter sorgen dafür, dass Nachwuchskräften Bewährungschancen genommen werden. Lewis Hamilton (38) etwa hat bei Mercedes seinen Vertrag bis Ende 2025 verlängert, Aston Martin hat Fernando Alonso (42) mit einem Mehrjahresvertrag ausgestattet. Die Klasse und mediale Strahlkraft der einstigen McLaren-Stallrivalen steht jedoch außer Frage: Hamilton wurde siebenmal Weltmeister, Alonso immerhin zweimal.
Mick Schumacher muss sich in dieser Saison mit der Rolle als Ersatzfahrer begnügen. Da ein Formel-1-Stammcockpit auch für 2024 höchst unwahrscheinlich ist, prüft er Plan B. Alpine soll an dem früheren Formel-2-Champion interessiert sein – allerdings in erster Linie für das Sportwagenprogramm. Mercedes würde Mick Schumacher selbst in so einem Fall weiter als Reservepilot hinter Hamilton und George Russell vertrauen wollen – sofern Alpine auch mit so einer Doppelrolle einverstanden sein könnte.
Mick Schumachers «Heimathafen»
Schumacher sei «Teil der Familie», versicherte Mercedes-Teamchef Toto Wolff zuletzt. Schließlich fuhr Vater Michael seine letzten drei Karrierejahre in einem Silberpfeil. Dessen Sohn werde bei Mercedes immer einen «Heimathafen» besitzen, betonte Wolff.
Auch 2024 dürfte es also nur einen deutschen Stammfahrer in der Formel 1 geben: Hülkenberg, der zwischenzeitlich schon einmal drei Jahre außen vor war und nur Aushilfsjobs in der Motorsport-Königsklasse hatte.
Absehbar wird sich an dieser Dürre kaum etwas ändern. Hinter Hülkenberg und Schumacher drängen keine jungen Deutschen nach. Um es vielleicht doch irgendwann in die Königsklasse des Motorsports zu schaffen, ist neben Können und Glück auch eine siebenstellige Summe erforderlich. Wer soll sich so etwas leisten können?
Vettel erhofft sich für den Nachwuchs mehr Einsatz der Autobranche
«Für den Motorsportnachwuchs in Deutschland sieht es schlecht aus», konstatierte der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur und mahnte: «Wir sind ein Automobilland, wir gelten als Automobilnation, dann fehlt es aber hier und da an Investitionen der großen Automobilwirtschaft in die Zukunft des Motorsportnachwuchses.» Denn die Talente seien schon noch «dort draußen».
Ohne Unterstützung geht es einfach nicht. Das weiß auch Tsunoda, der aus dem Nachwuchsprogramm von Red Bull stammt und außerdem von Honda gefördert wird. Der japanische Autobauer lässt noch bis Ende 2025 sein Know-how in die Red-Bull-Motoren einfließen. «Ohne Honda und Red Bull wäre ich nicht hier», räumte Tsunoda ein. Er wird seit seinem 16. Lebensjahr vom japanischen Autobauer begleitet und gilt neben Ricciardo als Favorit für ein Alpha-Tauri-Stammcockpit 2024.
Wie wichtig Unterstützung ist, weiß natürlich auch Lawson, der ebenfalls ein Junior des Getränkekonzerns ist und am vergangenen Wochenende erstmals Formel-1-Punkte sammelte. Er sei «nicht glücklich», wenn er in die Reservistenrolle zurückmüsste, räumte der junge Neuseeländer ein. «Aber anstatt auf all die Dinge von außen konzentriere ich mich auf jede Session, versuche immer, alles zu maximieren und zu zeigen, was ich im Auto kann.» Manchmal kann aber selbst das Maximum zu wenig sein.