Hamburger Stadtderby - St. Pauli gegen HSV – Schneeballschlacht
Vereinfacht gesagt gibt es in Hamburg zwei Arten von Menschen: solche mit Diamanten im Herzen und solche mit Totenköpfen auf der Brust. Es mag auch einige unaufgeregte Norddeutsche geben, die das eine mögen, das andere aber nicht zutiefst verachten. Wer durch Stadtteile außerhalb des Großraums St. Pauli/Altona fährt, kann in vielen Vorgärten die HSV-Fahne sehen und die vielen Stromkästen zählen, die in der HSV-Trikolore Schwarz-Weiß-Blau bemalt sind. Solange die Menschen Fußball nicht nur als Sport, als Lebensstil, als kostenloses Freizeitaccessoire betrachten, wird es den St. Pauli Football Club geben.
HSV-Fans hingegen scheinen über eine hohe Schmerztoleranz zu verfügen: Auch im sechsten Jahr in der zweiten Liga sorgt ein Verein, der lange für seine chaotische Führung bekannt ist, weiterhin für Chaos auf dem Rasen in hohem Maße , besonders wenn man auswärts spielt. Auch das wird ins Spiel kommen.
Wenn sich HSV- und Poly-Fans im Alltag treffen, sind sie wie Freunde, die sich dazu entschließen, beim Abendessen nicht über Politik und Religion zu reden. Aber an zwei Tagen im Jahr ist Stillschweigen keine Option mehr, also ist es an der Zeit, Farbe zu bekennen: ein braunes Hemd oder eine rote Hose. Dann ist Derby-Zeit, das 110. des Tages (HSV 69 Siege, St. Pauli 24 Siege, bisher 16 Unentschieden). Auch der Puls der Bürger schlägt, wenn Pfeffertüten die Krawattenknoten lösen und Senatoren die Schals der Fans von ihren Kleiderhaken nehmen. Der St. Pauli FC hat rund 27.000 Mitglieder und einen Jahresumsatz von knapp 62 Millionen Euro, während der Hamburger SV über 100.000 Mitglieder und einen Jahresumsatz von knapp 112 Millionen Euro hat. Tottenkopf lag vor der 15. Runde auf Platz 1 gegen Lauter, Platz 2.
St. Pauli vs. HSV – das einzig wahre deutsche Derby
Hamburg, als einzige europäische Metropole ohne Männerfußballverein, litt unter Demütigungen und geriet über Nacht in den Fokus nationaler Aufmerksamkeit. Aber für alle Romantiker da draußen: Hier findet das einzige echte Derby des Landes statt, das gibt es in keiner anderen deutschen Stadt. Auch wenn Union und Hertha Berlin in derselben Liga spielen, wird es für die Berliner nicht wie ein Derby, sondern eher wie eine Reise ins Ausland sein. In München gab es schon lange kein Spiel mehr gegen Bayern München. Möchten Sie etwas Würze hinzufügen? Die Trainer Fabian Hürzeler und Tim Walter mochten sich nicht. Die Fans mögen sich noch weniger, deshalb wird im Stadion kein Alkohol ausgeschenkt. Um die Projektile aufzufangen, wurde ein riesiges Netz um den Gästebereich gespannt.
Am Nachmittag schwebte ein Hubschrauber über dem Gelände und als ob es an der Elbe nicht genug Veranstaltungen gäbe, findet direkt neben dem Millerntorstadion die größte Winter-Dommesse der Stadt statt. Wer am Lenkrad sitzt, kann das Spielfeld von oben sehen. Eine Möglichkeit besteht darin, mehrere Tickets zu je 7 € zu kaufen, anstatt ein Ticket zum Schwarzmarktpreis zu kaufen. Die Frage ist: Welche Fans gehen nach dem Spiel zum Wilde Rat und welche zum Zombie Ghost Train?
Von allen Inhabern einer Eintrittskarte wird erwartet, dass sie pünktlich zur Show erscheinen, da es vor dem Spiel alkoholfreie Beleuchtung gibt. Während sich die Spieler aufwärmten, ertönte aus den Stadionlautsprechern „Dirty Orrtown“ des kürzlich verstorbenen Sängers Sean McGowan, der alles andere als alkoholkrank war. Sein spanischer Kollege im Pressefach fragte ihn, ob das Wort „Skelett“ richtig geschrieben sei, und trotzdem war er wahrscheinlich überrascht, dass so viele Spieler aus St. Pauli den Nachnamen „der Gott des Fußballs“ trugen. Mit diesem Jubel ertönte das Publikum, als das Line-Up bekannt gegeben wurde. Dann fiel der Schnee.
Unglückliche Momente für Heuer Fernandez
Der HSV ist heute Abend nicht der Favorit, die Mannschaft gilt als inkonstant und hat aus den letzten fünf Auswärtsspielen nur zwei Punkte geholt, was für einen Club, der auf dem Vormarsch zu sein scheint, zu wenig ist. St. Pauli hingegen verhielt sich wie Bayer Leverkusen in der zweiten Liga: Fußball voller Überraschungen und Erfolge. Aus HSV-Sicht wäre es ein guter Spielplan, die erste Viertelstunde unbeschadet überstehen zu können. Beinahe hätte es geklappt: Knapp 14 Minuten und 48 Sekunden später führte Jackson Irvine einen Eckstoß aus und schob den Ball an der Abwehr vorbei ins Tor. Die HSV-Spieler wirkten energiegeladen wie ein Haufen Schneemänner. Anschließend warnte der Stadionsprecher die heimischen Fans davor, Feuerwerkskörper zu zünden.
Zwölf Minuten später, in einer Szene, die von nun an in jeder Pannenshow zu sehen sein wird: HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandez, der schon lange zu den konstantesten Spielern des Vereins zählt, war tatsächlich Exzellent für die Zweite Liga. Der Ball wurde zu Verteidiger Stéphane Ambrosius gepasst. Er schob den Ball weiter zu Teamkollege Guillerme Ramos, der versuchte, ihn zum Torwart zurückzupassen, aber der Ball rollte in Richtung Torlinie und Johor Fernandez stürzte sich mit einem Schritt auf den Vorderfuß und traf den Ball direkt ins Netz. Ein Tor wie ein Unfall, bei dem ein Elektroroller gegen einen Bordstein prallte: unglücklich und peinlich zugleich. 2:0 St. Pauli. Und der HSV wurde erneut zum Spottverein Hamburgs.
Bereits zur Halbzeit diskutierten die Reporter darüber, wer der Nachfolger von HSV-Cheftrainer Tim Walter werden soll. Der HSV sieht aus wie die Ruinen von René Benko, dem Immobilienspekulanten, der den Elbturm in der HafenCity bauen wollte. Jetzt ist er pleite.
In der zweiten Hälfte fiel der Schnee noch stärker, und der Ball war nun rot und glitt durch Weiß und Grün, als würde er auf einem unberührten Hang Ski fahren. HSV-Fans versuchten es mit einer Vertuschungstaktik: Sie zündeten so viele Feuerwerkskörper, dass der Stadionsprecher sie immer wieder warnte. Das Stadion war von dichtem Nebel erfüllt.
Hamburger Stadtderby-Bilanz von 17 Unentschieden
Die Spieler laufen wie Fünftklässler, die zum ersten Mal Schlittschuhe aufs Eis bringen. Dem mächtigen St. Pauli Football Club gefiel das überhaupt nicht. Doch der angeschlagene HSV glich innerhalb weniger Minuten aus, Robert Glatzel (58.) und sein außer Form geratener Immanuel Pherai (60.) trafen zum 2:2. Ein Stadionsprecher hat die Fans beider Lager nun davor gewarnt, Feuer anzuzünden. Er tat dies mit der Geduld nur einer Kindergärtnerin und bat Finn Orr, Hannah keine Buntstifte mehr in die Augen zu stecken.
Nach etwa 75 Minuten schienen sich die Spieler darauf geeinigt zu haben, die Angelegenheit durch eine Schneeballschlacht zu klären. Die aktuelle Derby-Bilanz liegt bei 17 Unentschieden, St. Pauli bleibt weiterhin Erster, der HSV braucht weiterhin keinen neuen Trainer, das Publikum geht zum Essen nach Hause und über Fußball wird man bestimmt nicht mehr so viel reden.
Wie war das Derby? Rauh!
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Quelle: www.stern.de