Der herbstliche Kranichzug von Skandinavien nach Spanien hat begonnen, aber weniger Vögel erreichen die Ostseeküste Vorpommerns als in den Vorjahren. Günter Nowald, Leiter des Kranichzentrums Groß Mohrdorf bei Stralsund, sagte, dass es Mitte September rund 14.000 Kraniche an der Darß-Zingster Boddenkette und auf der Insel Rügen gegeben habe. Zu dieser Zeit gibt es normalerweise 20.000 bis 25.000 Vögel.
Der Grund für die geringen Zahlen ist der lange Sommer in Mittel- und Südschweden. Dort fand der Kranich noch genügend Futter in den Stoppeln. Vor ein paar Tagen gab es am Hornbolga-See 24.300 Vögel. Norwald sagte, in der größten Kranichkolonie Skandinaviens seien noch nie so viele Tiere gezählt worden.
Naturschützer vermuten, dass es in der Bodennischen Kette Vorpommerns inzwischen rund 20.000 Kraniche gibt, mindestens so viele wie in Linum, Brandenburg-Rhein und Haveluch. Für dieses Wochenende ist eine weitere Zählung im Kranichzentrum Groß Mohrdorf geplant. Dazu beobachten Mitarbeiter, wie die Kraniche nachts in Schwärmen zu ihren Schlafplätzen fliegen.
Nowald erwartet den Höhepunkt des Kranichzuges in der ersten Oktoberhälfte. Dann rasten 50.000 bis 70.000 Vögel, die eine Höhe von 1,20 Metern erreichen können, im Lagunenwasser. „Es ist unglaublich, eines der letzten Naturwunder Europas“, schwärmt Norwald. Vogelliebhaber können im Herbst auch gelegentlich tanzende Kraniche sehen und die trompetenartigen Rufe der Tiere hören. Das Crane Center beherbergt Ausstellungen zu Großvögeln und bietet Führungen zu Beobachtungsstellen an.
Vor dem Winter fliegen die meisten Kraniche weiter über Niedersachsen und Frankreich in die Region Extremadura im Südwesten Spaniens. Einige Vögel versuchen auch in Vorpommern zu überwintern. Norwald erklärte, dass das kein Problem sei, solange es genügend Nahrung gäbe. Wenn sich jedoch wie im vergangenen Dezember eine Schneeschicht bildet, bleibt den Kranichen nur noch die Möglichkeit, den Winter zu überleben. Anschließend flogen sie nach Nordfrankreich.
Europas Bevölkerung wächst seit vier bis fünf Jahren. Der Kranich erholt sich langsam von dem Gebiet, in dem er vor etwa 200 bis 300 Jahren ausgerottet wurde. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich der Trend aufgrund des Klimawandels umkehrt. Im Mai und Juni letzten Jahres inspizierte das Crane Center 250 Brutpaare. 70 % haben keine Nachkommen. Der Grund, sagte Neuwald: Feuchtgebiete im Norden Deutschlands trocknen aufgrund fehlender Niederschläge aus. Füchse und andere Raubtiere können ein Gelege am Boden fressen. Außerdem fehlte es den Kranichen an Futter.