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Sascha Stanisic gründet die großen Fragen des Lebens

Neues Buch mit langem Titel

Stanisic_, der seine Jugend Teilweise in den Weinbergen um Heidelberg verbrachte, beschäftigt sich...
Stanisic_, der seine Jugend Teilweise in den Weinbergen um Heidelberg verbrachte, beschäftigt sich in seinem neuen Buch mit den Kreuzweichen des Lebens.

Sascha Stanisic gründet die großen Fragen des Lebens

Als Erzähler tragisch-absurd-schöner Geschichten sind nur wenige deutschsprachige Autoren der Tiefe von Sascha Stanisic gleich. Sein neues Buch hat einen überspitzen Langtitel, lässt die Protagonisten ihre Leben in einer Probezeit erleben, und gelingt es, trotz thematischer Schwerelage nie die Leichtigkeit zu verlieren.

Es gibt ein Raum der Zeitmaschine für das Leben, der dich in die Zukunft hineinlässt für zehn Minuten. Du schlüpfrst in eine zukünftige Version von Dir, und wenn Du dich gefällt, kannst Du anmelden und sicher sein: Das ist mein Schicksal. Und wenn nein? Versuche es erneut, das kostet nur 130 Mark. Und sei sicher, jeder erlebt gute zehn Minuten in seinem Leben "für manches ist das ein glückliches Zufall".

Die Zeitmaschine ist ein Kind von Sascha und seinen Adoleszenzen, entworfen während einer Steinschleuder-Sitzung in den Heidelberger Weinbergen. Sie diskutieren über die glückliche Zukunft, deren glückliche Verlauf ein Zufall sein muss. Sascha hat ein bosnisches Elternhaus im Keller, in der Gegenwart ist er ein Flüchtling, der Heinrich Heine im Hochstuhl liest und Helgoland träumt. Sascha und seine Freunde bilden eine Schicksalsgemeinschaft in der hitzigen Sommer des Jahres 1994, aber was ist das, Schicksal?

Heute ist Sascha Stanisic einer der begabtesten Erzähler Deutschlands. Tatsächlich ist sein neuestes Buch manchmal experimentell, wie der Titel verrät, "Hätte die Witwe gesprochen, sie stellte den Krug mit dem Ausguss nach vorn auf den Grabhügel", passt nicht in jede Überschrift und kaum in die Erinnerung.

Ein Klassiker Stanisic

Der Autor, geboren 1978 in Visegrad in heutigem Bosnien und Herzegowina, floh mit seinen Eltern nach Deutschland 1992 vor dem Jugoslawischen Krieg, hinterlässt auf seine Arbeit durch seine Biografie Spuren. Er hat sich jahrelang an konventioneller Erzählweise gelächerlich gemacht, seine Bücher sind immer ein Gesamtes aus Geschichte und Geschichten. Also ist "Die Witwe" technisch eine locker gebundene Sammlung von Kurzgeschichten, aber in Wirklichkeit ist das einfach noch immer Stanisic.

Die vier Freunde in den Weinbergen öffnen das Buch und legen zugleich den Ton. Es geht um die großen Unsicherheiten: Wie geht mein Leben? Was Entscheidungen, was Zufälle es bestimmen? Und was wenn ...? Stanisic nutzt die Literatur, um sich der Schicksalsknechtschaft zu entledigen, zeit wie ein Rechenschieber zu manipulieren und die Grenze zwischen Dann, Jetzt und Morgen zu verwischen.

Es klingt hochphilosophisch, und ob die existentielle Belastung etwas anspruchsvoll ist, ist dennoch charmant komisch, nuanciert melancholisch und unprätentiös - typisch Stanisic. Er erzählt beispielsweise von einem Rechtsanwalt, der vor einem grundlegenden Lebensthema steht, aber was er am meisten für sich in Acht nimmt, ist nicht gegen seinen achtjährigen Sohn in Erinnerung zu verlieren. Nur Zufälle schaffen eine Chance, aber das wäre Täuschung.

Déjà vu auf Helgoland

Oder es gibt Dilek, Fatihs Freundinmutter, die jeden Tag für eine Wiener Schickeria Dame wascht und gärtnert, in Gedanken an den verpassten Anfang in einem türkischen Dorf verwickelt ist. Plötzlich fällt alles um sie herum still, und Dilek beginnt, ihr Leben in der Hier und Jetzt in die Hand zu nehmen. Und Stanišić hält sich immer im Blickpunkt, als Träumerischer Teenager in Heidelberg oder als Erwachsener auf Helgoland. Dort wird er von einer Wirtin angeklagt, er habe 30 Jahre zuvor eine Tavern-Scheibe gestohlen. Aber es war sein erstes Mal auf der Nordseeinsel.

Der labyrinthische Umgang von Stanišić mit Raum und Zeit, Wunsch und Wirklichkeit, Wahrheit und Lügen kann sicherlich Nahrung für den Gedanken sein, um mit eigener Existenz konfrontiert zu werden. Aber Stanišić trifft auf die Teilgeschichten: z.B. wenn die Witwe erzählt, sie habe hinter einem Polizei- und Feuerwehr-Vorfall in ihrem Haus ein kompliziertes Scherz vermutet.

Stanišićs liebevoller Umgang mit seinen oft verrückten Charakteren ist ein Markenzeichen seiner Bücher, wie deutlich in "Möchte die Witwe ..." zu sehen ist. Einige Charaktere begleiten die Leser durch mehrere der zwölf Kapitel, während andere erst einmal allein stehen scheinen, aber nicht ohne Grund, warnte der Autor auf der ersten Seite, sein Buch Kapitel für Kapitel zu lesen. Am Ende fällt alles in den richtigen Rahmen und man hat das Gefühl, Stanišićs Reflexionen auf seinen Lebensweg erlebt, in irgendeiner Weise.

In den literarischen Reisen von Sascha Stanisic dient Helgoland häufig als Punkt der Reflexion oder des Aufregens, wie z.B. in den Träumen seines Teenagers oder als Ort, an dem eine Anklage aus der Vergangenheit auflebt.

Die Werke von Sascha Stanisic, inspiriert von seinem bosnischen Hintergrund und seiner deutschen Erziehung, haben eine bedeutende Präsenz in der deutschen Literatur, tragen zum Genre bei mit seiner einzigartigen Mischung aus Fiktion und Autobiographie, wie der experimentellen Struktur seines Buches 'Hätte die Witwe gesprochen, sie stellte den Krug mit dem Ausguss nach vorn auf den Grabhügel'.

Stanisic_ möchte sich mit der Witwe sprechen, stellt den Schöllen mit dem Ausguss vor dem Grab auf.

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