Antoine Dupont kracht in vollem Lauf mit seinem Gegenspieler zusammen, Kopf gegen Gesicht. Der Oberkiefer und das Jochbein des französischen Rugby-Stars brechen. Eine ganze Sportnation zittert bei der Heim-Weltmeisterschaft um den wichtigsten Spieler der Gastgeber.
Drei Wochen ist der Unfall her, der für manch andere Athleten eine lange Zwangspause bedeutet hätte, gerade bei einem Kontaktsport wie Rugby. Nicht für Dupont. Kurz vor dem WM-Viertelfinale der Franzosen an diesem Wochenende ist die Frage nicht mehr, ob der Kapitän von Les Bleus sein Comeback geben kann – sondern nur noch, ob er am Sonntag (21.00 Uhr/ProSiebenMaxx) gegen Titelverteidiger Südafrika mit Kopfschutz spielen wird oder ohne.
Die Ärzte gaben dem 26-Jährigen, bei dem die Schrammen im Gesicht noch zu sehen sind, die Erlaubnis für den Einsatz. Der Rugby-Weltspieler von 2021 war nach seinem Zusammenprall im Gruppenspiel gegen Namibia schnell operiert worden, das letzte Vorrundenmatch verpasste er. In dieser Woche kehrte Dupont ins Teamtraining zurück, die Öffentlichkeit in Frankreich verfolgte jede Bewegung des Ausnahmespielers. «Guter Fuß und gutes Auge», beobachtete das Magazin «Paris Match»; der Kapitän sei bereit, analysierte «Le Monde». Co-Trainer William Servat attestierte Dupont «100 Prozent seiner Fähigkeiten», wie das Sportblatt «L’Équipe» meldete.
164,5 Millionen Fernsehzuschauer
Schmerzgrenzen gibt es für die Hausherren bei diesem Turnier nicht. Die Grande Nation will erstmals Rugby-Weltmeister werden, dreimal (1987, 1999, 2011) scheiterte Frankreich erst im Finale, dazu kommt einmal WM-Bronze 1995). Bei bislang neun Weltmeisterschaften schafften es die Franzosen nur dreimal nicht ins Halbfinale – darunter bei den bis dato letzten zwei Turnieren 2015 und 2019. Die Rugby-Nation lechzt nach Wiedergutmachung.
Die Heim-Weltmeisterschaft hält Frankreich in Bann, schon vor Beginn der K.o.-Runde in dieser Woche vermeldeten die Organisatoren bislang zusammengerechnet 164,5 Millionen Fernsehzuschauer auf den französischen Sendern bei den bisherigen Spielen. Mehr als eine Million Menschen lockte es während der 40 Spiele der Gruppenphase in die Fanzonen, die in zehn Städten errichtet wurden. Wie die Zeitung «Le Figaro» berichtete, ziehen die Fanzonen neben Familien auch junge Menschen an, während sonst von einem alternden Rugby-Publikum die Rede ist. Die Stimmung sei friedlich und ausgelassen. Aber auch in Kneipen und Lokalen im Land verfolgen stets zahlreiche Gäste die Spiele auf den Bildschirmen.
Dass die Rugby-WM in Frankreich gut ankommt, lasse sich auch am Verkauf von Fan-Produkten ablesen, so die Zeitung. Bis zu 20.000 Menschen täglich kämen in den größten der Fan-Shops am Place de la Concorde in Paris, darunter natürlich auch viele Touristen. Der Hersteller der Nationaltrikots etwa reibe sich die Hände, 250.000 Leibchen wurden bereits verkauft. In den anstehenden Playoff-Partien dürften noch etliche weitere Shirts dazukommen – vor allem, falls die bislang in dem Turnier makellosen Franzosen weiter erfolgreich sind.
Den Auftakt in die Viertelfinals machen am Samstag (17.00 Uhr) in Marseille Wales und Argentinien. Am Abend (21.00 Uhr) kommt es dann im Stade de France vor den Toren von Paris zum Gigantenduell zwischen dem dreimaligen Weltmeister Neuseeland und dem derzeitigen Weltranglistenersten Irland. Am Sonntag spielen zunächst in Marseille die Engländer gegen das Überraschungsteam aus Fidschi (17.00 Uhr), ehe der unverwüstliche Antoine Dupont am Abend seine Franzosen gegen Südafrika auf das Feld führen wird.