Du bist alt und sitzt einfach zu Hause und löst Kreuzworträtsel? „Nein, danke“, sagte Gerhard Wiesel. Der 92-Jährige möchte lieber in die Wälder und in die Berge fahren. Vor ein paar Jahren gelang ihm das mit dem Mountainbike. Doch nach einem Fahrradunfall war er auf einen Rollator angewiesen. Da aber die meisten Rollatoren für die Straße konzipiert sind, hat der Rentner aus Überlingen am Bodensee seinen eigenen konstruiert.
Drei Jahre lang tüftelte, berechnete und erfand er schließlich einen Rollator mit Elektroantrieb. „Es musste eine Mischung aus Mountainbike und Laufrad sein“, sagte der Ingenieur. Heute ist er mit seinem „e-hiker“ unterwegs – einer robusten Gehhilfe mit allerlei besonderen Details.
Besonders ein Hingucker sind die großen Räder mit Offroad-Profil. Sie helfen, Hindernisse zu überwinden und Treppen zu steigen, sagte Wiesel. Der Elektroantrieb zieht ihn den Berg hinauf, beim Abstieg ist kräftiges Bremsen gefragt. „Du willst lebend aus dem Berg herauskommen“, scherzte der 92-Jährige.
Luftketten als Zubehör
Er hat seinen Turbinenrollator persönlich etwa 400 Stunden lang getestet. „Es kommt auf Details an, und bei Rollatoren wird diesen Details oft nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt“, sagte Wiesel. Um den Armdruck besser zu entlasten, entwickelte er verstellbare Griffe. Zum Zubehör gehören auch Schneeketten. Der Rollator lässt sich zusammenklappen und passt ins Gepäck. Eine große Einkaufstasche ist integriert. „Außerdem gab es einen gepolsterten Sessel und eine Rückenlehne mit Regenschutz.“ Wiesel sagte, sein Umfeld sei zunächst skeptisch gegenüber der Erfindung gewesen. „Wie immer bei Erfindungen – man wird zunächst mit einem freundlichen Lächeln begrüßt, wird aber meist als Verrückter angesehen.“ Jetzt ist man überzeugt. Eine kleine Fahrradfirma im Deggenhausertal setzte seine Idee um.
In den Erfindungen von Wissel steckt viel Leidenschaft und technisches Know-how. „Ich bin ein reiner Techniker, ich habe schon als kleiner Lehrling angefangen, Dinge zu konstruieren“, sagte der Rentner. Er erfand vor 65 Jahren den ersten Allrad-Schaufellader für Kramer, einen bekannten Hersteller von Bau- und Landmaschinen. Wiesel bewahrte eine Miniaturversion davon in seinem Arbeitszimmer auf.
Aber es war nicht nur die Liebe zu seinem Beruf, die ihn zu dieser Erfindung trieb. „Es ist notwendig“, sagte der 92-Jährige. „Ich möchte das Leben weiterhin genießen und meine Zeit im Wald oder in den Bergen verbringen.“ Auch im Alter sollte man nicht zurückschrecken.
Breiteres Handlungsspektrum für ältere Menschen
Gesunde Einstellungen, sagt die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Auch die Mobilität älterer Menschen sei ein wichtiges Ziel der Altersmedizin, erklärt DGG-Präsident Rainer Wirth. „Rollatoren sind für viele Senioren mit eingeschränkter Mobilität eine echte Wohltat.“
Rollatoren können das Sturzrisiko verringern und den Bewegungsradius vergrößern. „Es ist wichtig, möglichst aufrecht zwischen den Rädern zu gehen, statt sich über den Rollator vor einem zu beugen“, betont Wirth. Eine falsche Rollatorhaltung kann zu Muskelproblemen führen.
Laut AOK gehört ein Rollator zu den Leistungen der Krankenversicherung. Ein AOK-Sprecher sagte: „Allein für ‚normale‘ Rollatoren sind im Hilfsmittelkatalog 108 verschiedene Produkte aufgeführt.“ Einen einheitlichen Produktpreis für die Rollatorversorgung gibt es nicht.
Gehhilfen kosten je nach Sanitätshaus und Hersteller im drei- bis vierstelligen Bereich. Auf dem Markt sind auch sogenannte Outdoor-Rollatoren erhältlich. Aber Wiesel konnte im Laden keins finden, das zu ihm passte. Alles an einem durchschnittlichen Wanderer irritierte ihn. „Ihre Räder sind zu klein, die Sitze oft schlecht, sie haben keinen Antrieb und die Bremsen sind schlecht.“
Aufgrund der aufwendigen Fertigung und der hochwertigen Teile wird der Wissel-Turbinenrollator für etwa 500 Euro verkauft 5.000 Euro. Zunächst wird er zehn Modelle auf den Markt bringen. Er hat bereits drei Bestellungen erhalten. Der Bedarf sei da, sagte der 92-Jährige. „Es gibt also immer noch viele Verrückte wie mich.“