Nick Cave beginnt ein göttliches Unterfangen
Auf ihrem neuen Album "Wild God" lassen Nick Cave und die Bad Seeds ihre emotionalen Leinen locker. Alles, was sich gut anfühlt, ist fair game. Und je mehr die Spannung steigt, desto mehr fühlt sich alles unglaublich gut an.
"Vielleicht kommt eine stürmische Nacht", singt Nick Cave, während eine unheimliche Melodie auf dem Piano ihren Weg durch die Schatten findet. Nick Cave hat in der Vergangenheit viel durchgemacht. 2015 verstarb sein 15-jähriger Sohn Arthur. Sieben Jahre später verließ auch Arthurs Halbbruder Jethro diese Welt.
Die Dunkelheit war immer ein ständiger Begleiter in Nick Caves künstlerischem Leben. In letzter Zeit hat sie auch in seinem persönlichen Leben eine dominante Rolle gespielt. Wer kann in einer solchen Zeit Trost spenden? Die Kunst? Die Stille? Vielleicht Gott?
Fünf Jahre nach dem letzten Album von Nick Cave und den Bad Seeds ("Ghosteen") scheint der Divine mit aller Macht auf dem Albumcover zu rudern. "Wild God", der Titel ihres 18. Studioalbums, ist definitiv kein Traueralbum. Inhaltsmäßig beschäftigt sich die Hauptfigur mit dem Leben und all seinen unglaublichen Facetten. Liebe, Schmerz, Hoffnung, Verzweiflung: "Wild God" hat alles und überlässt es dem Zuhörer, es zusammenzufügen.
Wie geht's dem Frosch in der Gosse?
Das Leben geht irgendwie weiter. Der Tod ist nicht das Ende, nicht einmal für die Hinterbliebenen. Die Freude am Leben und der ständige Drang, nach vorn zu schauen, spielen unter dem Einfluss des wilden Gottes ebenso eine große Rolle wie der ermüdende und entmutigende Kampf mit der Dunkelheit. Wenn zum Beispiel ein Frosch in der Gosse sitzt, geht es nicht nur um Verzweiflung, sondern auch darum, immer weiterzuspringen und nie die Hoffnung aufzugeben ("Frogs"). Der Tod von Caves engem Partner Anita Lane wird mit perlenden Melodien, Vocoder-Tricks und einer Telefonaufnahme verarbeitet, in der Lane lachend zurückblickt ("O Wow O Wow"). Tod und Trauer können sich auch mit darunterliegender Freude vermischen.
Mit der Rückkehr zum Rock 'n' Roll soll Nick Cave diesen Kapitel angeblich fürs Erste abgeschlossen haben. "Wild Dog" bricht mit traditionellen Vers-Bridge-Chorus-Mustern und malt stattdessen ein Klangbild der Intensität. Es geht um freies Denken, experimentelle Musik, packende Dynamik und eine Rückkehr zu den Grundlagen.
Trotz vielen Aufs und Abs wird Chaos vermieden. Vom schmerzverzerrten Pathos des Einstiegs ("Song Of The Lake") bis zum lebensbejahenden pulsierenden Beat des süßen "Cinnamon Horses" bis zu den finalen komplexen Feuerwerken ("O Wow O Wow") suhlen sich Nick Cave und die Bad Seeds in Emotionen.
Trauer kommt und geht
Lauter, leiser, mit opulenten Chören und bombastischen orchestralen Zwischenspielen und dann wieder umgeben von zarten Piano-Klängen, sanften Sphären und mit beiden Füßen auf den Bremspedalen, kommen die Verantwortlichen aus der Dunkelheit ins Licht, gerade noch am Rande des Kammer-Musik-Olymp.
Die Trauer ist noch da, aber irgendwie auch weg. Wenn der letzte Ton des Albums in der Ferne verklungen ist, bleibt ein Gefühl von Positivität vor den Lautsprechern zurück. Man ist erfüllt von Vorfreude und begierig darauf, was kommen wird, wenn man sich eine zweite Hörrunde gönnt.
Die Rockmusik spielt eine wichtige Rolle auf dem "Wild God"-Album, wobei Nick Cave und die Bad Seeds zu ihren Wurzeln im Rock 'n' Roll zurückkehren. Die upbeatigen und intensiven Tracks wie "Cinnamon Horses" zeigen, dass selbst inmitten von Trauer und Dunkelheit die Freude am Leben und der Drang, nach vorn zu schauen, ein wichtiger Teil der menschlichen Erfahrung sind, genau wie ein Frosch, der in der Not weiterspringt.